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Meine Route führt ich tiefer ins Wallis hinein, wo auf dem Weg nach Sion neben schönen Postauto-Strecken und nettem Fahrpersonal diverse Natur-Sehenswürdigkeiten warten: So wandere ich der reissenden Rhone entlang, bestaune die wunderschöne Trient-Schlucht und lasse mich von den gelben Bussen auf eine sehenswerte Serpentinenfahrt zum Bergkurort Ovronnaz entführen.
13: St-Maurice – Martigny – Ovronnaz – Sion
Fahrt-Logbuch:
Linie | Von | Nach | Bus | BJ | Halter | Zeit | KM |
192 | St-Maurice, Poste | Lavey-les-Bains, Thermal | MAN NL323 / A21 Lion’s City | 2011 | TPC, Aigle | 0:08 | 2,7 |
– | Lavey-les-Bains, Thermal | Evionnaz, Grande Salle | Zu Fuss | – | – | 1:04 | 4,5 |
220 | Evionnaz, Grande Salle | Martigny, Gare | Setra S415NF | 2011 | Regie | 0:25 | 12,4 |
311 | Martigny, Gare | Leytron, Ancienne Poste | MAN NG363-18.75 / A23 Lion’s City GL | 2010 | Buchard, Leytron | 0:25 | 16,0 |
312 | Leytron, Ancienne Poste | Ovronnaz, Plein Soleil | Setra S313UL | 2002 | Buchard, Leytron | 0:28 | 11,0 |
314 | Ovronnaz, Plein Soleil | Chamoson, Église | MAN/Göppel 14.290HOCL / A66 | 2011 | Buchard, Leytron | 0:29 | 12,2 |
311 | Chamoson, Église | Sion, Gare | Mercedes-Benz O530 G Citaro | 2005 | TMR, Martigny | 0:30 | 12,4 |
English Summary:
In this episode I progress further along the Rhone Valley with its capitol, Sion, being my destination for the day. A first short PostBus ride takes me to the hot springs of Lavey, where instead of a relaxing bath in the refreshing waters I opt for an invigorating walk along the river Rhone instead. The 4km hike is needed to reach the next PostBus network, where a passionate driver welcomes me and enthusiastically shows me the sights of the local villages. Following one of his hints I jump off the bus a bit short of my destination Martigny, ending up in the breath-taking Trient Gorges where I stand in awe at that unique natural beauty.
After making my way into Martigny and climbing up to its medieval fortress in the scorching temperatures of this summer day, I’m at least rewarded with some sweeping panoramic views of the valley. I quickly stock up on food and sunscreen and then hop aboard Line 311 which extends all the way to Sion, while routing through some lovely vineyards that hug the base of steep craggy rocks.
I soon discover that there’s actually a PostBus route heading up there through these vineyards, serving a town called Ovronnaz that is nestled some 900 meters above the valley floor. This leads me to diverge from my planned route yet again, but even though that mountain bus is full of noisy school children, the fantastic views compensate all the possible ear damage I might have obtained.
Up in Ovronnaz another thermal bath lures me with its glistening blue pools, but I stay committed to my trip and soon hop on the next PostBus instead. Using a different and even narrower and curvier road than before, it entertains me with some great driving fun while taking me back down to the valley floor. Having arrived there, the remainder of the trip to Sion is a piece of cake: Take the next express bus of Line 311 (my last articulated bus for a loooong time) and head east until the city’s whopping hilltop castle appears in the windscreen.
Nach einem schönen Aufenthalt im beschaulichen St-Maurice geht es weiter – ein Bisschen zumindest. Ein kühl klimatisierter MAN-Bus bringt mich zum Nachbarort Lavey-les-Bains, einem Thermalbad mit Mineralquelle. Zwar würde mich angesichts der sommerlichen Temperaturen auch ein Bad in den besagten Quellen ausgesprochen reizen, doch die müssen mir jetzt egal sein. Es ist wiederum ausschliesslich die Lage der Ortschaft, die mich interessiert: Von hier sind es nämlich nur 4 Kilometer Fussmarsch bis zum nächsten Postauto-Netz. Darüber hinaus führt dieser Weg auch noch dem Ufer der rauschenden Rhone entlang, und gibt ab und zu durchaus sehenswerte Ausblicke in eindrückliche Schluchten preis. Genau so mag ich meine Wanderungen!
Ankommen tue ich nach etwas mehr als einer Stunde schliesslich im Örtchen Evionnaz, die Postautostation heisst „Grande Salle“. Dass dies aber nicht etwa einen pompösen mittelalterlichen Ballsaal kennzeichnet, in dem schon Louis XIV überschwängliche Tafelrunden mit hunderten von Gästen abhielt, merke ich bald: Stattdessen stehe ich bloss vor dem scheusslichsten Gebäude der ganzen Gemeinde, dem überdimensionierten Betonblock von Mehrzweckhalle.
So öffne ich die Augen erst wieder, als mein Postauto vor mir steht. Postautos sind ja per se schon immer grossartig und wunderschön, umso mehr aber noch, wenn es sich um einen neuen Setra-Typen für mein Logbuch handelt: Den S415NF, immerhin Bus of the Year 2009 :-). Dieser bringt mich in gut 30 Minuten bis nach Martigny. Wieder einmal bin ich der einzige Gast an Bord, was der liebenswerte Chaffeur dazu benutzt, mir eine kleine Tour der Region zu verabreichen und die passierten Sehenswürdigkeiten zu erklären. Viel hat er damit ja nicht zu tun, aber er gibt sich alle Mühe und hätte dafür selber eigentlich auch einen Preis verdient.
Das Dörfchen Dorénaz mit Bergbau-Vergangenheit zum Beispiel (im 19. Jahrhundert wurden hier Schieferbrüche und Kohleminen ausgebeutet) hat voller Stolz einen ausrangierten Minen-Waggon auf einen Kreisel gepappt, und so lässt es sich mein Fahrer nicht nehmen, ebendiesen Kreisel mit seinem Bus zweimal zu umrunden, damit ich den hochinteressanten Wagen von allen Seiten bestaunen, schön fotografieren und zum Dank mit einigen wohlplatzierten Ohs und Ahs adäquat würdigen kann. Behaltenswert wurden die Fotos des Waggons übrigens trotzdem nicht, denn trotz der zwei Runden um den Kreisel lag er immer auf der falschen Seite des Busses, ich sass nämlich rechts – da hätten wir noch zigtausend Mal rundherum fahren können. Aber erzählt das nicht dem Fahrer…:-)
Wenngleich ich seine Minenbegeisterung in Dorénaz noch etwas belächelt habe, bin ich dem Fahrer für den nächsten Tipp wahrhaftig dankbar: Im Nachbardorf Vernayaz fragt er mich, ob ich schon von den Gorges du Trient gehört habe. Habe ich ignoranter Zürcher natürlich nicht, aber ein zehnsekündiges Instant-Googlen verrät mir sofort, dass ich hier unbedingt aussteigen muss. Es reicht gerade noch, den Halteknopf zu drücken, und schon stehe ich ziemlich unerwartet auf der Strasse. Wegweiser führen mich rasch zum Eingang der Trientschlucht und in einem Floristengeschäft erstehe ich bei einem charmanten Blumenmädchen die Eintrittskarte. Gleich dahinter führt ein schmaler Wanderweg dem Fluss entlang und verschwindet alsbald zwischen steilen Felsflanken. Ab hier führt der Pfad als an den Steilwänden festgemachter Holzsteg einige hundert Meter in die Schlucht hinein. In zehn Metern Höhe pirscht man sich voran, während unter einem die reissenden Wasser des Bergbaches vorbeiziehen, welcher diese Naturschönheit hier in jahrhundertelanger Sisyphusarbeit in den Fels des Mont-Blanc-Massivs gefräst hat.
Es dringt nur wenig Tageslicht in die Schlucht, deren feuchte Wände von Moosen bedeckt sind, was der ganzen Szenerie die nötige Prise märchenhafter Verwunschenheit verleiht. Seinen magischen Höhepunkt erreicht das Schauspiel, wenn sich über einem die Wolken lichten und die Schlucht einer Kathedrale gleich im anmutigen Schein des indirekten Lichtes annähernd zu glühen beginnt. Wow!
Wieder draussen, ist es nicht weit, bis das Wahrzeichen von Martingy in Sicht kommt: Der auf einer Anhöhe liegende Burgturm des Château de la Bâtiaz. Der Weg hoch bis zum Burg-Areal ist eine ziemliche Plackerei, umso mehr, als wir den bisher heissesten Tag des Jahres verzeichnen und sich die Luft im Walliser Backofen auf bis zu 33 Grad erwärmt hat. Hätte ich doch besser mit den Thermen von Lavey Vorlieb genommen! Aber naja, nun bin ich ja eh schon hier. Also rauf zum Türmchen! Immerhin erhält man von oben einen wirklich lohnenswerten Rundumblick, der vom Beginn (bzw. Ende) des Rhonetals am Ufer des Genfersees bis weit hinauf in Richtung Zentralschweiz reicht – dort, wo mich mein Weg nun hinführen soll!
Den anschliessenden Spaziergang quer durch Martigny zum Bahnhof nutze ich, um den Turm auch noch von unten abzulichten, und mich schliesslich in den Geschäften der ziemlich ordinären Hauptstrasse mit Sonnencrème und ausreichend Flüssigkeit einzudecken. So ausgerüstet kann’s auf die nächste Postauto-Reise gehen: Kurs 311 (der nur schon deshalb unbedingt Eingang in mein Logbuch finden musste, weil er meinem Geburtsdatum entspricht) soll mich in zirka einer Stunde Fahrzeit bis nach Sion bringen. Netterweise führt die Strecke, nachdem endlich die gesichtslose Agglomeration Martignys zurückgelassen ist, durch die idyllischen Weinberge am nördlichen Hang des Rhonetals, was die Fahrt doch relativ sehenswert macht.
Vor allem aber habe ich bei der Planung gemerkt, dass man eines der Weinbau-Dörfchen entlang der Linie 311, nämlich Leytron, als Sprungbrett für eine ausgedehnte Runde durch die Berggebiete zum Kurort Ovronnaz auf über 1’300 Metern Höhe verwenden kann, bevor man nach einer kurvenreichen Talfahrt dann im Nachbardorf Chamoson wieder auf die Hauptlinie stösst. Diesen Spass muss ich natürlich unbedingt mitmachen und springe dem Tal-Express der Linie 311 daher in Leytron kurzzeitig von der Schippe.
Spassig fühlt es sich allerdings nur sehr bedingt an, als der bereits 13-jährige Setra-Midibus vom Typ S313UL mit Destination Ovronnaz dann in Leytron vorfährt. Die vordersten sechs Reihen sind bereits mit einer äusserst lebhaften Kindergartenklasse belegt, die mit dem normalen Sprechen offenbar noch einige Mühe bekundet: statt sich irgendwie halbwegs gesittet zu unterhalten, wetteifern die Dreikäsehochs darin, wer sich am lautesten zukreischen kann. Doch damit nicht genug. Mit mir steigt jetzt im hinteren Busteil noch eine 15 Kehlen starke Primarschulklasse zu, welche ihrerseits versucht, das Gekreische der Kindergärtner mit noch lauterem Gesang zu übertönen. Und so ächzen wir wohl bis weit über die Alpen hörbar in ziemlicher Disharmonie den Berg hinauf. Zudem ist die Klimaanlage des ältlichen Setra-Vehikels mit dem energetischen Output von so viel Jugendlichkeit heillos überfordert, weshalb die Atmosphäre im Bus bald tropische Verhältnisse annimmt.
Geniessen kann ich die eigentlich sehenswerte Fahrt kaum, ich habe ja noch nicht einmal Gelegenheit, mich zu setzen, geschweige denn einen Platz am Fenster zu ergattern. Ich starre an dicken Bäuchen und verschwitzten T-Shirts vorbei und versuche, ab und zu einen Eindruck der Landschaft draussen zu erhaschen – bis mich die nächste Haarnadel wieder fast zu Boden wirft. Daher sollen ein paar etwas später aufgenommene Drohnenbilder die Schönheit dieser ansprechenden Strecke zeigen:
Etwa ab der Hälfte der knapp 30-minütigen Odyssee wird die Kakofonie im Bus immerhin etwas geordneter; die Kindergärtner haben offenbar allmälich Halsschmerzen zu beklagen und ihr Gekreische verstummt stetig etwas mehr. Die Primarschüler haben sich derweil zu einem stimmgewaltigen Sprechchor vereint, der etwa vierzig Mal hintereinander mit voller Inbrunst zum Besten singt, dass eine gewisse Caroline eine Pute sei – wobei das französische Wort nicht wirklich den Vogel meint.
Nach (nicht nur für die ebenfalls im Bus anwesende Caroline) qualvollen weiteren zehn Minuten erreichen wir das Bergdorf Ovronnaz, und mit jeder Station, an der wieder ein paar Kindsköpfe aussteigen, wird der Klangteppich langsam etwas angenehmer. Nur leider fährt genau der besonders extrovertierte und stimmgewaltige Anführer des Sprechchors natürlich bis zum Ende der Strecke mit, und besingt seine holde Caroline in seinem Rausch auch dann noch, als diese schon lange ausgestiegen ist und er mit mir zusammen alleine im Bus sitzt.
Endlich zuoberst in Ovronnaz angekommen, habe ich die hier erlebbare Ruhe bitter nötig. Als sich meine Ohren erholt haben, kann ich die Vorzüge dieses Kurortes aber doch noch geniessen: beste Aussicht, etwas kühlere Luft als im Tal, und (schon wieder) ein wunderschönes Thermalbad an bester Lage – so schön könnten Ferien sein! “Plein Soleil” heisst die Haltestelle, volle Sonne. Ja, das passt!
Ferien gibt’s für mich allerdings noch immer keine, schliesslich habe ich noch einiges an Wegstrecke zu bewältigen. Nach einer halben Stunde Pause gabelt mich hier oben ein weiterer Bus auf (diesmal wieder so ein MAN-Göppel-Konstrukt), und bringt mich auf einer anderen Route, welche sich zuerst der Bergflanke entlang in die ehenmalige Maiensäss-Siedlung Mayens-de-Chamoson hinüberpirscht, auf noch viel schmäleren Bergsträsschen zurück ins Tal.
Diesmal bin ich mit dem Chauffeur alleine im Gefährt, was das Ganze sehr viel angenehmer macht. Nicht nur werden meine Ohren geschont; der nette Fahrer (seinen klangvollen portugiesischen Namen habe ich leider vergessen) hat auch viel Zeit, mir die Aussicht zu erklären und ab und zu kurz anzuhalten, damit ich ein Foto schiessen kann. So gefällt mir das schon viel viel besser! Fahrer und Bus gehören, genau wie auch die Gespanne vor und nach ihnen, zum Postauto-Halter Buchard aus Leytron. Buchard fährt allerdings nicht nur Postauto, sondern betreibt hauptsächlich das grösste Carreise-Unternehmen der Westschweiz, ja verkauft neuerdings sogar Pauschalreisen und hat gar eine sommerliche Charterflug-Verbindung von Sion nach Mallorca aufgegleist.
Im Herzen blieben die Buchards allerdings Bus-Freaks, und ihre Geschichte begann denn auch 1953 mit der Eröffnung der bis dahin inexistenten Verbindung von Leytron nach Ovronnaz im Auftrag der Post. Nach einigen abenteuerlichen Jahren auf dieser Strecke – eine wirkliche Schneeräumung fand zum Beispiel kaum je statt – vermochten sie weitere Linien zu eröffnen (einige wurden zu Beginn mit Land Rovern befahren!) und mit den Postautos auch erste Ausflugsfahrten durchzuführen. Jenes Standbein wurde immer wichtiger und dominiert heute gar, Buchards gut zwei Dutzend Reisecars sind in ganz Europa unterwegs. Doch ebenso viele Postautos halten die Stellung im Unterwallis, wo Buchard vier Hauptlinien und ein paar Verästelungen befährt. Ja und auch die Probleme mit der mangelhaften Schneeräumung sind längst passé – die erledigt die auf das Transport- und Bauwesen spezialisierte Tochterfirma Buchard Transports gleich selbst 🙂
In Chamoson im Tal angekommen muss ich noch 40 Minuten warten, bis der nächste Tal-Express vorbeirauscht – ein weiterer Gelenkbus aus Martigny. Diesmal kein Fahrzeug von Alleskönner Buchard, sondern ein Citaro aus dem Fuhrpark der TMR (Transports de Martigny et Régions). Die eigentliche Bahngesellschaft, welche die zwei Linien Mont-Blanc Express und Saint-Bernard Express betreibt, engagiert sich seit dem Jahr 2005 auch auf mehreren Postauto-Kursen. Diese hat sie damals von einem konkursiten Mitbewerber geerbt.
Mit meinem letzten Gelenkbus für eine laaaange laaaange Zeit fahre ich nun noch weiter bis nach Sion. Die Weinberge gehen bald über in langweilige Agglomeration, viel gibt’s nicht mehr zu sehen – bis auf die Burg Tourbillon und die Kirche Notre-Dame de Valère, die gut sichtbar auf ihren Hügeln über der Stadt thronen. Dann ist es geschafft: am Hauptbahnhof von Sion spuckt mich der Bus aus, und ich torkle hinüber in die Jugendherberge. Diese hat zwar allerhöchstens den Charme eines Bezirksgefängnisses, aber immerhin ist mein Zimmer überraschend kühl.
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