12: Villeneuve – Aigle – Torgon – St-Maurice

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Lesezeit: ca. 9 Minuten

Nach der Durchquerung des Schweizer Mittellandes stehe ich nun endlich an der Eingangspforte zu den Alpen. Den hohen Erwartungen kann dieser erste Abschnitt im Rhonetal allerdings kaum gerecht werden, und es bedarf einiger Mühen, um wirklich sehenswerte Highlights aufzuspüren: Die beschauliche Altstadt von Aigle zum Beispiel, die enge Serpentinenstrasse hoch ins Dörfchen Torgon, oder die Ortschaft St. Maurice mit stattlicher Burg und Kathedrale.

12: Villeneuve – Aigle – Torgon – St-Maurice

 

Fahrt-Logbuch:

Linie Von Nach Bus BJ Halter Zeit KM
115 Villeneuve, Gare Vouvry, Poste Volvo 8900LE 2013 VSA-MOB, Montreux 0:26 13,4
141 Vouvry, Poste Aigle, Gare Volvo 7700 H 2012 TPC, Aigle 0:17 9,3
142 Aigle, Gare Torgon, Poste Volvo 8700 2006 TPC, Aigle 0:36 18,5
142 Torgon, Poste Vionnaz, Poste Volvo 8700 2006 TPC, Aigle 0:24 11,0
130 Vionnaz, Poste Monthey, Gare Mercedes-Benz O530 Citaro (facelift) 2013 VSA-MOB, Montreux 0:29 12,2
151 Monthey, Gare Bex, Domaine du Rhône Iveco/Rošero First 70C17 2015 TPC, Aigle 0:09 4,4
Bex, Domaine du Rhône Massongex, Poste Zu Fuss 0:05 0,5
191 Massongex, Poste St-Maurice, Poste MAN/Göppel 12.220HOCL / A76 VSA-MOB, Montreux 0:07 3,6

 

English Summary:

English Translation - click to view

After having crossed through Switzerland’s flatter areas in the first ten or so episodes of my journey, I’m finally standing at the gates of the country’s alpine region now. Of course I can barely wait for all the natural beauty this journey has in store for me. Unfortunately though, the first few bus rides into the Rhone Valley hardly live up to these high expectations: We’re only navigating the flat bottom of the valley while the craggy mountain peaks are still out of reach. Here in the valley floor there’s nothing really noteworthy to be seen: Just an endless area of boring crop fields interspersed with the odd jumble of gas stations and used car dealers. On top of all that, the PostBus schedules in these regions are a complete nightmare, often requiring me to wait for several hours until a next bus takes me a few kilometres further.

However, things start brightening up about halfway through the journey as I discover the quaint old town of Aigle and then let an old Volvo bus take me up the winding serpentine roads to the village of Torgon, providing me with a lot of driving fun and fantastic views enroute. The second nice surprise is my destination for today, St. Maurice, which elates me with its old cathedral and castle.

 

 

 

Ich befinde mich nach meiner Wanderung entlang des Genfersees in Villeneuve am Ostufer des Gewässers. Heute folge ich der Rhone die ersten 20 Kilometer in ihr Tal hinein, überschreite gefühlte Tausend Mal die Grenze zwischen den Kantonen Waadt und Wallis, welche sich dem Ufer des Flusses entlangzieht, und feiere mit einer ersten engen Serpentinenstrecke meine Ankunft im Bergkanton.

Als mittelalterlicher Umschlagplatz zwischen dem Genfersee sowie dem Rhonetal mit seinen Verbindungen über diverse Alpenpässe hat sich das Städtchen Villeneuve rasch eine wichtige Position erarbeitet. Auch mir wird ja ein ähnliches Schicksal zuteil: Ich werde vom Fussmarsch-Territorium entlang des Genfersees endlich wieder aufs Postauto-Netz verladen. Genau deshalb habe ich aber nur Zeit, um rasch vom Bahnhof aus in die malerische Altstadt Villeneuves zu kiebitzen. Danach wartet nämlich schon mein Postauto.

 

Villeneuve's (VD) Grande Rue, die sehenswerte historische Hauptstrasse
Villeneuve’s (VD) Grande Rue, die sehenswerte historische Hauptstrasse

 

Auch heute noch dient Villeneuve in vielerlei Hinsicht dem Transportwesen: So wird im nahegelegenen Steinbruch einerseits Kalkstein für den Schotter von Gleisanlagen abgebaut, andererseits werden in der Industriezone auch die Bombardier-Züge für die SBB gefertigt. Auch um davon etwas zu sehen habe ich keine Zeit, denn ich habe einen wichtigen Termin: Wenige Male pro Tag nur sucht ein Postauto das Städtchen auf, und um Punkt 11:47 Uhr ist es soweit. Nach meinem langen Fussmarsch entlang des Genfersees ist nun endlich wieder ein gutes Stück Postauto-Strecke angesagt, und der Hauptakteur fährt soeben auf dem Bahnhofsplatz vor. Dieser bietet gleich dreifachen Anlass zur Freude: Nicht nur das Wiedersehen mit einem gelben Bus an sich begeistert mich, sondern auch, dass es sich mit dem fast neuen Volvo 8900LE um einen neuen Typen für mein Logbuch handelt, und er sogar ein Walliser Nummernschild trägt. Viel besser kann es ja gar nicht mehr kommen!

 

Mein Postauto trifft in Villeneuve ein!
Mein Postauto trifft in Villeneuve ein!

 

Entsprechend positiv gestimmt bin ich, als der kräftige Volvo-Dieselmotor das Vehikel mit mir an Bord in Bewegung setzt und meine Reise in Richtung Wallis beginnt. Yeeeha! In meinen Gedanken male ich mir schon eine malerische Bergpoststrecke aus, immerhin bin ich ja jetzt am Eingangsportal der Alpen angekommen. Doch weit gefehlt. Das Postauto flitzt bloss durch den weitläufigen Talboden, auf einer so austauschbaren Strecke wie selten zuvor. Wenn wir nicht gerade langweilige flache Äcker passieren, dann sicherlich eine Siedlung, die nur aus drei Tankstellen und vier Autohändlern zu bestehen scheint. Charme: Fehlanzeige. Die einzige Action rührt denn auch daher, dass der Fahrer mitten auf einem einsamen Feldweg eine scharfe Bremsung hinlegt, sich aus seinem Sitz hievt, nach hinten stapft und einige Kindergärtner zusammenstaucht, weil diese auf den Sitzbänken herumtollten und die Papiere verspeister Süssigkeiten herumliegen liessen. “Das kannst du zuhause machen, aber nicht in meinem Bus!” raunzt er einen an, der hoffentlich sein Sohn ist. Oha, das hat gesessen!

 

Über unscheinbare Äcker den Bergen entgegen
Über unscheinbare Äcker den Bergen entgegen

 

Ziemlich alt: der Turm mit gemauerter Spitze der Kirche St-Nicholas in Chessel, VD - stammend wohl aus dem 13. Jahrhundert
Ziemlich alt: der Turm mit gemauerter Spitze der Kirche St-Nicholas in Chessel, VD stammt wohl aus dem 13. Jahrhundert

 

Ohne etwas wirklich Sehenswertes gehen die ersten 26 Minuten Postauto-Fahrt vorüber. Naja, vielleicht begeistert ja bei der nächsten Strecke die Aussicht wieder etwas mehr?

Zuerst sitze ich allerdings vier Stunden im kleinen Örtchen Vouvry fest, denn mein Postauto kam um 12:11 an, und dasjenige für die Weiterfahrt lässt sich erst um 16:18 blicken. Die “Sehenswürdigkeiten” im Ort beschränken sich auf zwei einigermassen nett hergerichtete Hotelgebäude, eine touristisch vermarktete Altstadt-Hauptstrasse die sich vergeblich bemüht, idyllisch zu wirken, und eine stillgelegte Ölraffinerie auf einem Felsvorsprung weit über dem Talboden. Wahrlich kein Ort, wo man vier Stunden rumkriegen müssen will – aber zum Glück gibt’s ja iPhones und Hörbücher.

 

Vouvrys Sonnenseite
Vouvrys Sonnenseite

 

Die Auberge de Vouvry ist seit dem 16. Jahrhundert eine feste Grösse entlang der Rhone-Route - heute beherbergt sie ein Gault-Millau Restaurant
Die Auberge de Vouvry ist seit dem 16. Jahrhundert eine feste Grösse entlang der Rhone-Route – heute beherbergt sie ein Gault-Millau Restaurant

 

Vouvrys Grande Rue, mit deren Grandesse es allerdings nicht allzu weither ist
Vouvrys Grande Rue, mit deren Grandeur es allerdings nicht allzu weither ist

 

Dann, endlich, ist es 16:18 Uhr und ich darf weiterfahren – ich fieberte dem Zeitpunkt ja fast schon entgegen wie der Mondfinsternis! Immerhin ist die nordische Diva, die so lange auf sich warten liess, etwas Besonderes: Ein Hybridbus aus dem Hause Volvo. Eigentlich muss ich damit nur ins Nachbardorf Vionnaz, eine Sache von knapp 5 Minuten – und für das bin ich jetzt vier Stunden rumgelauert! In Vionnaz wäre es dann an einem nächsten Postauto, mich wiederum weiterzubefördern – doch jenes hat für heute schon Feierabend. Die Fahrpläne hier sind echt zum Haare raufen – jeder Bus fährt zwei, drei Mal am Tag, und auf einander abgestimmt ist genau gar nichts!

Mangels weiterer Verpflichtungen entscheide ich daher spontan, einfach in meinem Postauto sitzenzubleiben – wenn man schon mal eines findet, das fährt, muss man das ja auch ausnützen. Umso mehr, als es sich ja um einen Hybridbus handelt, ich also der Natur mit jedem Kilometer etwas Gutes tue – oder so. Endstation dieses Kurses ist das Städtchen Aigle, welches wir nach einer guten Viertelstunde erreichen.

 

Blick vom Bahnhof Aigle auf die sehenswerten Dents du Midi
Blick vom Bahnhof Aigle auf die sehenswerten Dents du Midi

 

War ich vom zuvor Gebotenen noch nicht wirklich begeistert, gefällt mir Aigle auf Anhieb. Zwar sind auch hier die meisten Häuser charakterlose Betonbunker, aber immerhin gibt’s hier und dort ein Chalet zu sehen, sowie eine kleine idyllische Altstadt, welche diesen Namen auch verdient. Die engen Gässchen sind von Lauben überspannt, welche die dicht aneinander gedrängten Häuschen verbinden und sie gleichzeitig etwas nach aussen hin abschirmen. Taucht man in dieses abgeschottete Labyrinth ein, bekommt man rasch das Gefühl, die hektische Aussenwelt für ein paar Minuten hinter sich gelassen zu haben und etwas in der Zeit zurückgereist zu sein. Als grosses Finale präsentiert mir Aigle schliesslich noch sein Kronjuwel: Das im 13. Jahrhundert erbaute Schloss, welches erhaben über den Weinbergen thront und sich mir im schönsten Abendlicht zeigt. So schnell geht es, und ich bin wieder mit der Welt versöhnt!

 

Die Zahnradbahn Aigle - Leysin müht sich sehenswert die Weinberge empor
Die Zahnradbahn Aigle – Leysin müht sich sehenswert die Weinberge empor

 

In der von Lauben eingeschlossenen Altstadt von Aigle
In der von Lauben eingeschlossenen Altstadt von Aigle

 

Schloss Aigle (VD)
Schloss Aigle

 

So motiviert vom kürzlichen Erfolgserlebnis kehre ich zum Bahnhof von Aigle zurück und schaue, was es noch so für Postauto-Kurse gibt. Der Tag ist zwar fast schon rum, aber mit nur zwei Fahrten habe ich meine empfohlene Tagesdosis definitiv noch nicht erreicht und leichte Entzugserscheinungen machen sich breit.

Rasch hat ein Fahrplan-Aushang mein Interesse geweckt: Linie 142 ins 1080 Meter hoch gelegene Örtchen Torgon. Siebenmal täglich wird ein klobiger älterer Volvo-Bus das schmale Serpentinensträsschen hochgeprügelt, was nicht nur viel Haarnadelkurven-Action, sondern auch eindrückliche Panoramen verspricht. Genau das Richtige, um diesem etwas mediokeren Tag noch ein sehenswertes i-Tüpfelchen aufzusetzen. Diese Aufgabe erfüllt die Linie des in Aigle beheimateten grossen Verkehrsverbunds Transports Publics du Chablais TPC (welcher vier Bahnlinien betreibt, etliche eigene Buslinien und für ein halbes Dutzend Routen als Postauto-Halter fungiert) mit Bravour.

 

Wir lassen Vionnaz unter uns...
Wir lassen Vionnaz unter uns…

 

Blick von der Bergstrasse nach Torgon über Vionnaz ins Rhonetal
Blick von der Bergstrasse nach Torgon über Vionnaz ins Rhonetal

 

Wir schlängeln uns nach Torgon (VS) empor
Wir schlängeln uns nach Torgon (VS) empor
Torgon ist fast erreicht!

 

Schon wenige Minuten nach der Abfahrt sagen wir dem Talboden Adieu. Die Fahrerin – ein Bild von einem Mannsweib, mit Oberarmen als würde sie jeden Morgen zwanzig Weinfässer schleppen und einer verlebten Ausstrahlung, als würde sie besagte Fässer jeden Abend im Alleingang leeren – würgt den ächzenden Volvo mit wenig Fingerspitzengefühl, dafür umso mehr roher Gewalt um die Kurven und die Höhenmeterskala empor. Hätte ich ihn nicht dauernd festgehalten, wäre mein Rucksack wohl nicht nur durch den ganzen Bus, sondern in hohem Bogen durchs geschlossene Fenster hindurch ins Tal geflogen. Doch das krampfhafte Festkrallen an meinem Sitz lohnt sich immerhin: Mit jeder Haarnadel wird das Panorama noch etwas schöner, noch etwas weitläufiger, und ich kann mich kaum vom Sucher trennen – bis sich aufgrund der ruppigen Fahrweise die Magengegend meldet und findet, ich müsse dringend wiedermal unverkrampft nach draussen schauen, andernfalls mir und den Sitzbezügen des Busses grosses Unheil drohe.

Zusammenfassend: Die Zwangspause perfekt ausgenutzt, und nachdem mich das Rhonetal erst auf dem falschen Fuss erwischt hatte, habe ich doch noch zu dem gefunden, was ich mir erhofft hatte: Schöne Ausblicke und ansprechende Dörfchen.

 

Schönes Panorama hier oben!
Schönes Panorama hier oben!

 

Ausblick von Torgon in Richtung Monthey
Ausblick von Torgon in Richtung Monthey

 

Bereit für die Talfahrt, der kurze Volvo 8700 in Torgon (VS)
Bereit für die Talfahrt, der kurze Volvo 8700 in Torgon (VS)

 

 

Tags darauf geht es mit der Reise rhoneaufwärts weiter. Die Extrarunden aussen vor gelassen, war ich mit meiner eigentlichen Reise in Vionnaz stehengeblieben. Hier liest mich Kurs Nr. 130 auf und bringt mich nach Monthey. Eine Fahrt von immerhin 27 Minuten, gleichwohl finden sich kaum Fotos davon auf meiner Speicherkarte, und auch der mentale Speicherchip erinnert sich an nichts. Die Strecke Revue passieren lassend kann ich mich nur entsinnen, dass wir vielleicht noch 1-2 Dörfchen durchquert haben, denen es aber an jeglichen Alleinstellungsmerkmalen komplett mangelte. Dann erreichten wir schon die langgezogene Agglomeration von Monthey, was der architektonischen Einzigartigkeit auch nicht zuträglich war: Wohnblock reihte sich an Wohnblock, dazwischen die obligaten Tankstellen und Einkaufszentren. Alles in allem eine öde Betonwüste sondergleichen, die ich so nicht erwartet hätte. Einziger interessanter Fakt: Obwohl wir uns hier schon recht tief im walliser Rhonetal befinden, kommt auf der Strecke zwischen Vionnaz und Monthey noch immer ein Postauto der im entfernten waadtländischen Montreux ansässigen VSA-MOB SA zum Einsatz, neckischerweise mit einem Werbesticker, der das Wallis anpreist (während Montreux selber amüsanterweise keine einzige Postauto-Linie besitzt). Aber Hauptsache, die Verkehrsplaner haben da noch den Überblick!

 

Zauberhaftes Monthey
Zauberhaftes Monthey mit dem Bus aus Montreux (der jedoch ein Walliser Nummernschild trägt und auch den Bergkanton bewirbt)

 

Auch im Stadtkern von Monthey sieht es nicht viel besser aus als auf der Fahrt zuvor. Der Weg vom Bahnhof hinein ins Zentrum ist gesäumt von breiten Beton-Trottoirs und weiteren Einkaufszentren. Im alten Kern des Ortes angekommen ist von der positiv rezensierten Altstadt auch nicht viel Sehenswertes auszumachen. Einzig ein kleines Schlösschen kann mich dann doch noch zum Knipsen bewegen – aber auch nur ein oder zwei Mal und mehr aufgrund einer Mischung aus Langeweile und Mitleid.

 

Beim Neuen Schloss von Monthey, erbaut von den Oberwalliser Landvögten um 1660
Beim Neuen Schloss von Monthey, erbaut von den Oberwalliser Landvögten um 1660
Das Neue Schloss besteht aus drei um einen Arkadenhof gruppierten Wohnhäusern und einem mittelalterlichen Turm
Das Neue Schloss besteht aus drei um einen Arkadenhof gruppierten Wohnhäusern und einem mittelalterlichen Turm

 

Also rasch weiter! Es wartet ein Minibus auf mich, ein interessantes Fabrikat: ein Iveco-Rošero First 70C17. Das Fahrgestell stammt vom (spannenderweise im französischen Lyon beheimateten) italienischen Traditionshersteller Iveco, der Aufbau von der im kaum auszusprechenden Spišská Nová Ves domizilierten slowakischen Firma Rošero. Als ich bei dessen Ankunft das obligate Foto schiesse (ein solch wunderbares Produkt pan-europäischer Kooperation will ja angesichts der schwächelnden Eurozone sicherheitshalber für die Ewigkeit festgehalten sein!), faucht mich der Fahrer allen Ernstes an und fragt, ob ich dafür eine Bewilligung hätte. Und der meint das nicht etwa als Scherz, sondern besteht darauf, dass das so nicht ginge.

Das juristische Rüstzeug, um darauf etwas adäquates zu erwidern hätte ich nach fünf Jahren Studium ja durchaus mit auf den Weg bekommen, es scheitert aber – wie immer – am schwächsten Glied der Kette: den Französisch-Kenntnissen. Ein argumentativ wertloses “ils sont très jolis, les CarPostals” ist alles, was mir auf die Schnelle einfällt UND sprachlich umsetzbar scheint – immerhin ist das aber so sinnfrei, dass es die Auseinandersetzung trotzdem beendet. Gnädigerweise darf ich mich nun hinsetzen und – vorsichtigerweise nur mit dem Handy knipsend – die Fahrt geniessen. Aber zu sehen gibt’s eigentlich eh nix, und die Reise dauert glücklicherweise auch nur 5 Minuten, bis ich an einem Parkplatz an einer Rhonebrücke wieder ausgeladen werde. Danke für die 4,4 Kilometer Reisefortschritt, aber auch nicht mehr.

 

Dervorbildlich europäische Kleinbus :-)
Der vorbildlich europäische Kleinbus 🙂

 

Von dieser Haltestelle am Rhoneufer vorwärts zu kommen, ist für einmal keine Hexerei, obwohl hier kein weiteres Postauto mehr fährt. Eine elegante Brücke überspannt den breiten Fluss, und am anderen Ufer weist mir die hübsche Steinkirche des Dörfchens Massongex den Weg zu meinem Ziel. Die Rhone überblickend fasziniert mich das Farbenspiel, hier wo das kristallklare Wasser des Flüsschens Avançon in den schlammigen Hauptstrom einmündet, welcher schon das ganze Wallis durchquert hat.

 

Ausblick auf die Rhone, während mich ab jetzt während vieler Etappen begleiten wird
Ausblick auf die Rhone, welche mich ab jetzt während vieler Etappen begleiten wird

 

Die Rhonebrücke zwischen Bex und Massongex
Die Rhonebrücke zwischen Bex und Massongex

 

Nach Überquerung der Rhone bin ich schon in Massongex, dessen römische Thermen mitsamt historisch wertvollen Steinmosaiken einer Auskunftstafel zufolge etwa um Christi Geburt erbaut worden sein sollen, was sie zu den ältesten der Schweiz macht. Davon abgesehen hat das Dörfchen nicht viel zu bieten; es präsentiert sich ruhig und beschaulich, ja fast etwas ausgestorben – passenderweise prangt an der Schiebetür des einzigen Dorfladens denn auch das knallige Siegel des Konkursamtes. Für gehörigen Lärm sorgt nur eine aufgeregt schnatternde Schülerschaar, welche sich einem Tatzelwurm gleich hinter ihrer Lehrerin durchs Dörfchen schlängelt. Wahrscheinlich waren sie dazu verdonnert worden, sich die römischen Mosaike anzusehen. Die armen.

 

Massongex' schöne Kirche
Massongex’ schöne Kirche
Kirche Massongex

 

Für mich dagegen geht’s gleich weiter, die bloss 500 Meter messende Wanderung von Bex hinüber nach Massongex war ja im Nu absolviert. Mein nächstes Postauto fährt pünktlich vor und nimmt mich mit in Richtung St-Maurice. Auch dieses, mit Jahrgang 2001 mit das älteste bisher auf meiner Reise, ist wie der Rošero zuvor nicht aus einem Guss: Das Fahrgestell stammt vom Hersteller MAN, der Aufbau dagegen von einer (mittlerweile konkursiten) deutschen Firma namens Göppel.

 

Auf ins Wallis!
Auf ins Wallis!
Ziel erfasst :-)
Ziel erfasst 🙂

 

Die Fahrt in diesem alten Göppel dauert keine zehn Minuten und bietet entsprechend auch wenig Sehenswertes – bis wir die Ortsgrenze von St-Maurice passieren, wo wir erst einmal vom am Hang sitzenden Schloss begrüsst werden. Nicht schlecht! Wenige hundert Meter weiter passieren wir das stattliche Kloster, und schliesslich kurz vor dem Bahnhof noch eine weitere eindrückliche Kirche. Holla die Waldfee, so gefällt’s aber!

 

Einfahrt in St. Maurice, VS
Einfahrt in St. Maurice, VS

 

Der knuffige Man-Göppel am Bahnhof St. Maurice
Der knuffige Man-Göppel am Bahnhof St. Maurice

 

Eine Stunde verwende ich dafür, das durchaus hübsche Städtchen genauer zu begutachten (den Grossteil jedoch, um dem vor dem Schloss durchfahrenden Postauto abzupassen). St. Maurices Geschichte geht bis in die Römerzeit zurück: Ein gewisser Legionsführer Mauritius fand hier seinen Märtyrertod, daher der Name. Wirklich Fahrt nahm die Sache allerdings erst mit dem im Jahr 515 errichteten Kloster auf. Fortan strömten nicht nur unablässig Pilger aus Germanien, Gallien und Italien in den kleinen Ort, auch die merowingischen und karolingischen Könige wurden auf ihn aufmerksam – dies aber, wie immer, nicht aufgrund seiner wunderbaren religiösen Strahlkraft sondern wegen seiner strategischen Bedeutung am Fuss der Alpenpässe nach Italien. Aufgrund dieser Lage wurde St. Maurice zahllose Male geplündert, erobert und zwischen verschiedenen Staaten hin- und hergeschoben. Trotzdem – oder gerade deswegen – konnte es aber einen charmanten Charakter behalten und glänzt mit erhabenen Altstadthäusern und Sakralbauten.

Mit viel Charme und Charakter geht’s dann auch das nächste Mal weiter, wenn ich mich auf schönen Umwegen nach Sion durchhangle und vom dortigen Postauto-Drehkreuz aus einige sehenswerte Bergstrecken erkunde. Also: stay tuned! 🙂

 

Blick über die Place Parvis auf den Turm des Klosters St. Maurice (VS), stammend aus dem 11. Jh.
Blick über die Place Parvis auf den Turm des Klosters St. Maurice, stammend aus dem 11. Jh.

 

 

MAN-Midibus vor der imposanten Burg St. Maurice, erbaut Ende des 15. Jh.
Mein schnuckeliger MAN-Midibus vor der imposanten Burg St. Maurice, erbaut Ende des 15. Jh.

2 Responses

  1. Christoph Benkler
    | Reply

    Derzeit lese ich Ihre höchst interessanten und amüsanten Blogs über Ihre Postauto-Umrundung der Schweiz (dem Beitrag der „bz, Schweiz am Wochenende“ von Samstag, 30.5.‘20 sei dank!).
    Ich erlaube mir, eine kleine Korrektur anzubringen. Die erwähnte Ölraffinerie auf einem Felsvorsprung oberhalb Vouvry war keine solche, sondern eines der wenigen in der Schweiz betriebenen Wärmekraftwerke mit Namen Chavalon. In diesem Kraftwerk wurden von 1965 bis zur Stilllegung im Jahre 1999 Schweröl (Rückstand aus der nahegelegenen Raffinerie Collombey VS) zur Wärmeerzeugung verbrannt.

    • Tis
      | Reply

      Vielen herzlichen Dank für die netten Worte und dafür, dass Sie sich Zeit genommen haben, diese Information zu korrigieren. Das muss mir wohl bei der Recherche untergegangen sein. Es freut mich, wenn ich Ihnen etwas Lesespass bereiten konnte 🙂

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