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Mangels Postauto-Routen bin ich für die Strecke von Sierre nach Visp schon wieder zum Wandern gezwungen. Immerhin entdecke ich so aber die verschlafenen Weinabu-Dörfchen am Nordhang des Rhonetals und geniesse schöne Panoramen. Und in der Hälfte der Strecke wartet dann doch noch eine Postauto-Exkursion: Die gelben Busse mit Endziel Fafleralp entführen mich ins wunderschöne Lötschental, welches mit prächtiger Natur und hübschen Bergdörfchen brilliert.
17: Sierre – Lötschental – Visp
Fahrt-Logbuch:
Linie | Von | Nach | Bus | BJ | Halter | Zeit | KM |
– | Sierre, Gare | Gampel-Steg, Bahnhof | Zu Fuss | – | – | 4:01 | 20,6 |
591 | Gampel-Steg, Bahnhof | Fafleralp | Mercedes-Benz O550 Integro | 2004 | Jaggi, Kippel | 0:53 | 22,5 |
591 | Fafleralp | Gampel-Steg, Bahnhof | Iveco Bus Crossway 12m | 2014 | Jaggi, Kippel | 0:58 | 22,5 |
– | Gampel-Steg, Bahnhof | St. German, Post | Zu Fuss | – | – | 1:34 | 7.7 |
521 | St. German, Post | Visp, Bahnhof | Setra S313UL | 2005 | Autotour, Visp | 0:16 | 6,9 |
English Summary:
Starting out in Sierre, I’m confronted with a problem similar to the one in Sion before: There’s no PostBus route heading east of town and so I’m forced to hike again. Reaching the next big bus hub will mean another 28km on foot, so I better get going!
I leave Sierre via a small hillside road that leads me through the quaint winegrowing hamlets of Salgesch and Varen before I rejoin the Rhone river to hike further upstream along its riverbanks. Finally, after two thirds of the way I reach the tiny railway station of Gampel – whose main attraction is that it features another PostBus route for me. While that route doesn’t help me with any real progress along my trip around Switzerland, it takes me on a spin up the pristine Lötschental valley with its cute little towns and its amazing natural beauty. The destination is a place called Fafleralp, located amid an extremely scenic setting of dense larch forests, a meandering river and a bunch of snow-capped mountains all around.
After relaxing up here for a bit I head down to the Rhone valley again to finish up my hiking trip: Routing via the towns of Niedergesteln and Raron I make my way into St. German, where the first PostBus of the new network takes me via some narrow and winding roads to its homebase: The region’s principal town, Visp.
Um von Sierre weiter ostwärts zu gelangen, führt einmal mehr nichts an einem Fussmarsch vorbei – und zwar einem von der längeren Sorte, 28 Kilometer sind es gut und gerne. Immerhin ist es einer der letzten Märsche – im Tessin und dem Bündnerland zeigt sich das Postautonetz nahezu ohne Unterbruch und erlaubt mir so ein schnelleres Vorwärtskommen. Unterbrechen kann ich den Marsch zudem nach etwa zwei Dritteln in Gampel-Steg, wo sich ein Mini-Postautonetz befindet, welches das Lötschental erschliesst.
Es ist bereits Abend, als ich Sierre verlasse, und mal schaue, wie weit ich noch komme. Von Sierre aus wähle ich eine Wanderroute, welche etwas am Hang oben verläuft, und mir deshalb die eine oder andere schöne Aussicht bescheren sollte. Viel davon zu sehen bekomme ich auf der ersten Etappe allerdings noch nicht. Der Wanderweg führt meist der von Tankstellen gesäumten Hauptstrasse entlang, oder an irgendwelchen Industriegebieten und Kläranlagen vorbei. Nur kurz schlängelt er sich durch einen Rebberg – wobei Rebberg eigentlich das falsche Wort ist, da das Terrain unerwartet flach daherkommt, was mir aber auch nicht unrecht ist. Mehr ein Weinrebenmeer also. So oder so: Bald verdunkelt sich der Himmel, ein abendliches Gewitter braut sich über mir zusammen. Da ich nicht unbedingt als verkokeltes Blitzopfer im Weinbergmeer enden will, beschliesse ich, die Wanderung bereits nach 5 Kilometern am Bahnhof des Dörfchens Salgesch zu unterbrechen, und für die Nacht einzukehren.
Weiter geht’s am nächsten Morgen ab Salgesch. Das Gewitter hat sich längst verzogen, blauer Himmel grüsst mich. Auch das Terrain verändert sich: Nun schmiegen sich die Rebstöcke an steile Hänge, perfekt zur Sonne ausgerichtet – was am wiederum heissesten Tag des Jahres für mich Wandervogel natürlich besonders prickelnd ist. Aber ich hatte ja einen Höhenweg gewünscht – und wer eine Aussicht wünscht, der soll auch ordentlich dafür leiden. Schweissgebadet erklimme ich auf einem steilen Saumpfad Meter um Meter, bis ich schliesslich auf einer Nebenstrasse angelange, die hier oben von Dorf zu Dorf führt. Von da an geht‘s wenigstens wieder etwas schneller vorwärts, auch wenn die Hitze noch immer drückt und meine Wasservorräte in argem Tempo zur Neige gehen.
Dafür ist die Aussicht ganz nett: Unter mir erstreckt sich der weitläufige und dichte Pfynwald. Und nicht nur der Föhrenwald selbst ist finster, sondern auch die Gestalten, die sich früher darin bewegten: Räuber und Banditen nannten ihn gemäss Erzählungen ihr Zuhause. Händler und Reisende, die wie ich von Sierre nach Leuk gelangen mussten, waren gut beraten, den furchterregenden Föhrenwald zu meiden und den hügeligen Umweg via Salgesch und Varen in Kauf zu nehmen. Genau wie ich – denn auch wenn die Wegelagerer wohl weg sind; etwas unheimlich war mir das riesige dunkle Waldstück, das einen Hexenplatz und einen Mörderstein beherbergt, dann schon. Dann lieber schwitzen und leben!
Ich passiere das Weindorf Varen, in welchem weiter nichts los ist, ausser dass ein paar Kinder mit einem Wasserschlauch spielen – jaaaa, diese Abkühlung hätte ich auch gebrauchen können! Von Varen geht’s weiter der Hauptstrasse entlang nach Leuk. Sehenswert an dieser Wegstrecke ist einzig die passierte Brücke hoch über der Dalaschlucht, von welcher aus ich die weit unten vorbeirasenden Schnellzüge beobachten kann. Für Leuk selber habe ich keine Zeit, denn ich will vorwärts kommen, ehe sich die dunklen Wolken am Himmel schon wieder entschieden, Gewitter spielen zu wollen.
So führt der Weg an Leuk vorbei wieder ins Tal, wo ich abermals auf die Rhone treffe. Dieser führt der Weg nun entlang, und zwar für fast die ganzen restlichen 13 Kilometer. Viel zu sehen gibt’s hier nicht: der Fluss ist meistens von einer Reihe Bäume abgeschirmt, links von mir erstrecken sich Felder oder Waldgebiete – ein ziemlich abgeschiedener Pfad. Ich freue mich entsprechend, als mir ein Bauer entgegenkommt. Doch die Freude währt nicht lange: ich solle mich vor den Leuten da vorne in Acht nehmen, meint er. Hat doch noch ein Rudel Mörder aus dem Pfynwald überlebt? Nicht ganz. Fünfhundert Meter weiter realisiere ich, was er gemeint hat: drei ordentlich angeheiterte ältere Bäuerinnen baden laut kichernd nackt in einem Wasserfall.
Die einzige weitere Aufregung entsteht wenig später, als sich plötzlich eine Schlange auf meinem Weg sonnt. Ich setze zum Sprint an, um sie möglichst schnell zu passieren, aber sie schert sich keinen Deut um meine Anwesenheit. Auch besser so :-). So bin ich ziemlich froh, als ich aus diesem verwunschenen Landstück entkomme und die Zivilisation wieder erreiche. Von den passierten Dörfern Turtmann und Gampel bekomme ich aber leider trotzdem nicht viel mit: Diese Ortschaften bis an die Rhone zu bauen war offenbar niemandem in den Sinn gekommen, und so lasse ich ihre Dorfkerne sprichwörtlich links liegen.
Dafür gibt es am etwas ausserhalb gelegenen Bahnhof von Gampel eine Attraktion: ein Postauto! Zwar hilft es mir nicht direkt bei meiner Mission, da es mich auch nicht weiter vorwärts bringt. Aber die von Postauto-Unternehmer Leander Jaggi aus Kippel befahrene Strecke hinauf ins Lötschental ist zu sehenswert, um ausgelassen zu werden. Und mal wieder etwas Zeit in einem Bus zu verbringen und Postauto-Luft zu schnuppern, statt immer nur meinen eigenen Füssen beim Marschieren zuzuschauen, tut ohnehin ganz gut!
Als ich am Bahnhof Gampel-Steg ankomme, fährt das Postauto gerade vor. Ich freue mich: Es ist ein Mercedes-Benz Integro mit elf Jahren auf dem Buckel – für ein Postauto doch ein stattliches Alter. Und auch seine kantige Form erinnert an vergangene Zeiten; ein kleines Highlight! Einsteigen kann ich noch nicht – erst fasst der Fahrer noch einige Pakete, die wohl über Nacht mit der Bahn gekommen waren, und verstaut sie in seinem deutschen Überlandbus. Prospekte für die Seilbahn von Wiler auf die Lauchernalp seien das wahrscheinlich, die liessen davon tausende drucken, meint er.
Nach der Abfahrt am Bahnhof Gampel-Steg geht es nicht lange, und wir befinden uns auf den am Nordhang ausgelegten Serpentinen, die uns ins Hangdorf Hohtenn bringen. Das Nest liegt an der alten Lötschberg-Bahnroute, wodurch es kurzzeitig prosperierte – während dem Bau des Lötschbergtunnels schnellte die Einwohnerzahl kurzzeitig auf 500 hoch, bevor sie sich wieder bei 200 einpendelte. In den Berg verschwinden auch wir, allerdings nur in den 1989 erbauten Mittaltunnel, welcher uns direkt vor dem Bahnhof Goppenstein wieder ausspuckt. Ein ziemliches Schattenloch ist das hier, und viel mehr als ein überdimensionierter Bahnhof mit einem ebenso viel zu stattlichen Postauto-Terminal (für die 1-2 Linien) ist auch nicht auszumachen.
Wir nehmen zwei, drei Passagiere auf, und beginnen dann unseren Weg hinein ins Lötschental. Die Dörfchen Ferden und Kippel (letzteres ist die Heimat dieses Postauto-Betriebes und versteht sich als Zentrum des Tals) sehen zwar durchaus idyllisch aus, brennen sich aber sonst nicht nachhaltig ins Gedächtnis ein – obwohl das historische Lexikon der Schweiz Kippel eine „seltene Dichte und Qualität“ historischer Walliser Blockbauten attestiert. Einen umso bleibenderen Eindruck hinterlassen dafür seine Schulkinder, welche natürlich genau mit meinem Postauto zum Unterricht fahren müssen. Die einen stürmen begeistert zu ihrer Lehrerin, die ebenfalls zugestiegen ist, und erzählen ihr aufgeregt und vor allem lautstark, was sie am gestrigen Abend noch alles erlebten. Die andere Hälfte rezitiert, was sie soeben in der Musikschule gelernt hat – die gesamte Do-Re-Mi-Fa-So-Tonleiter wird dutzende Male ohrenbetäubend laut durch den Bus posaunt, auch einige Kinderlieder werden inbrünstig angestimmt. Oh weh – so viel zur Ruhe im beschaulichen Tal.
Allerdings dauert die Qual nicht allzu lange. Im nächsten Dorf Wiler befindet sich nämlich nicht nur die Seilbahn, für welche die Prospekte bestimmt sind, sondern offensichtlich auch die Schule des Lötschentals. Ab da ist wieder Ruhe im Bus. Als nächstes erreichen wir die letzte Siedlung, Blatten, welche mit ihrer Front von dunklen, knorrigen Lebkuchen-Bauernhäuschen ein äusserst charakterstarkes Bild abgibt.
Dann folgt der schönste Teil der Fahrt: Während den letzten 10 Minuten befahren wir die schmale Alpstrasse, die uns langsam ansteigend immer weiter in die Höhe bringt. Rechts von uns mäandriert die Lonza mit ihren zahlreichen Auen naturnah durch ihr breites Bachbett, links von uns umrahmt der dichte Lärchenwald, welcher dem Tal über einige Umwege auch seinen Namen gegeben hat, die Szenerie. Je höher wir gelangen, desto prächtiger wird die Aussicht – mit jedem Höhenmeter kommen mehr schneebedeckte Berge in Sicht.
Schliesslich hat der Integro seine Tour geschafft: Wir kommen auf einem grosszügigen Parkplatz mit kleinem Kiosk zum Stillstand: Willkommen auf der Fafleralp, 1766 m.ü.M. Drei Stunden lang geniesse ich die Ruhe, das Bergpanorama, die saftigen Blumenwiesen und die Abgeschiedenheit – und mache natürlich Jagd auf die stündlich vorbeischauenden Postautos. Den alten Integro bekomme ich allerdings nicht mehr zu Gesicht, für die Talfahrt wird mir stattdessen bereits ein brandneuer – natürlich – Crossway aus dem Jahr 2014 vorgesetzt. Immerhin aber einer (mein erster), auf dem der Schriftzug „Iveco Bus“ prangt – auf den älteren Modellen ist der Hersteller noch als Irisbus mit seinem Delfin-Symbol verewigt.
Und weil’s so schön war, hänge ich gleich noch zwei Drohnenfotos von einem herbstlichen Abstecher ins Lötschental an 🙂
Von diesem lohnenswerten Abstecher angetrieben geht der Schlussspurt ab Gampel bis ins nächste Postautonetz fast von alleine. Bald schon verabschiede ich mich von der Rhone, der Wanderweg führt einem schmalen kanalisierten Flüsschen entlang quer durch Weide- und Sumpfgebiet. Das erste passierte Dörfchen, Niedergesteln, verfügt bis auf eine Kirche und eine auf einem Gugelhopfhügel gelegene Burgruine (in sehr ruiniertem Zustand) noch nicht über viel, was sich einem ins Gedächtnis einbrennt. Ganz anders das nächste Dorf Raron: hatte ich dieses bisher nur mit seinem ehemaligen Flugplatz assoziiert, so weiss ich nun dank meines Besuchs von seinem ursprünglichen Dorfkern, geprägt von zahlreichen wuchtigen, historischen Steinhäusern. Diese zeugen vom Reichtum der Rarner, begründet hauptsächlich durch die Lage des Dorfes entlang der ursprünglichen Handelsstrasse von Sion über Raron und St. German nach Visp. Trifft sich gut, genau dort will ich ja auch hin – nur bitte ohne Wegzoll!
Nicht zu übersehen ist das kleine Gässchen, welches mich nun wieder dem Hang entlang nach oben führt. Erst in Richtung der imposanten, über Raron thronenden Kirche, und dann weiter bergauf an Weideflächen und gut besonnten Rebbergen vorbei. Von hier dauert es nicht mehr lange, bis ich das Dörfchen St. German erreiche. Auch dieses begeistert mit dem sehr ursprünglichen, charaktervollen Ortskern eines traditionellen Weinbaudorfs abseits der heutigen Hauptverkehrsachsen. Vor allem aber ist St. German der westlichste Aussenposten des Postautonetzes von Visp. Gerade als ich am Dorfrand eintreffe, sehe ich auf der gegenüberliegenden Seite das Postauto den Berg hinaufkeuchen. Juhui, geschafft! Wenig später steht der verkürzte Setra 313UL des Subunternehmers Autotur GmbH aus Visp auf dem Dorfplatz und wartet auf mich.
Die Fahrt hinunter nach Visp ist zwar nur 16 Minuten kurz, aber dafür umso intensiver. Die in die steil abfallenden Rebberge gemeisselte Strasse ist ganz schön eng, und die Autos in der Gegenrichtung fahren ganz schön schnell. Oder vielleicht kommt mir das nach 28 Kilometern im Wandertempo auch einfach nur so vor. Jedenfalls erlebe ich einige eindrucksvolle Ausweichmanöver mit, und geniesse natürlich die Aussicht hinunter ins Rhonetal. In dieses begeben wir uns dann auch, bis wir wenige Minuten später am Bahnhof von Visp eintreffen. Die nächste grosse Wanderetappe ist also erledigt, und in der nächsten Episode warten wieder ein paar sehenswerte Postauto-Fahrten. Bis dann!
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