23: Ulrichen – Grimselpass – Gelmerbahn – Gletsch

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Ich starte ins Herzstück meiner Tour, die Postauto-Routen über die Zentralalpen-Pässe. In diesem ersten Teil lasse ich mich im Zickzack-Kurs zum Grimsel emportragen, mache einen Abstecher ins Haslital und suche auf Europas steilster Seilbahn den Nervenkitzel.

23: Ulrichen – Grimselpass – Gelmerbahn – Gletsch

 

Fahrt-Logbuch:

Linie Von Nach Bus BJ Halter Zeit KM
111 Ulrichen, Bahnhof Oberwald, Bahnhof Iveco Bus Crossway 12m 2015 Regie 0:13 4,4
161 Oberwald, Dorf Handegg, Gelmerbahn Mercedes-Benz O530LE Citaro (facelift) 2008 AVG, Meiringen 1:04 27,5
161 Handegg, Gelmerbahn Gletsch, Post Setra S415H 2013 AVG, Meiringen 1:14 19,8

 

English Summary:

English Translation - click to view

A very warm welcome to what could very well be called the heart of my journey: The spectacular PostBus routes over Switzerland’s central mountain passes. In this first episode I start out in Ulrichen, at the very eastern end of the Valais region. I proceed onward to Oberwald to catch a bus that will take me over my first of the Big Four, Grimsel Pass.

While Grimsel Pass is another slight detour to my original route, it’s too good an opportunity to pass up on! Already as we are approaching it, the set of symmetrical hairpin bends installed in the steep topography is a marvellous sight. And even if they are easy to drive on thanks to the wide dimensions of the road, the journey is still nothing short of spectacular.

After reaching a new record high on Grimsel’s summit – 2’164 meters over mean sea level – the descent down its slightly shallower northern slope starts. On winding roads, we curve around two artificial reservoir lakes where the river Aare originates – the very same river I’ve crossed and photographed countless times during the earlier stages of my trip.

A few minutes past the summit I get off the bus to experience yet another thrilling attraction: Europe’s steepest funicular, an old open-top carriage covering a 1000m long track up to Gelmersee reservoir. At its steepest, it negotiates a gradient of 106%, meaning it travels upwards at an angle of about 45 degrees. That’s one nerve-wrecking adventure, but every shot of emitted adrenaline is well invested: At its upper terminus, the lake amazes with its magnificent natural beauty.

After this fantastic detour, I catch another PostBus that takes me back over Grimsel Pass again and drops me off in the village of Gletsch at the foot of its southern slopes. Pole position for the next mountain pass adventure featuring Furka Pass – stay tuned!

 

Nach einem beträchtlichen Marsch durchs halbe Obergoms tut es gut, endlich wieder Postautoluft zu schnuppern. In einem brandneuen Iveco Crossway lege ich die nur wenige Minuten dauernde Strecke von Ulrichen nach Oberwald zurück. Die Berge vor mir füllen schon fast die ganze Windschutzscheibe aus, sehen im heutigen Sonnenschein aber schon einiges einladender aus als am Ende der Wanderetappe im letzten Beitrag. Ja, so lassen sie für die nächsten Fahrten ein vielversprechendes Programm erwarten! Auf der Speisekarte steht das saftige Herzstück meiner Postauto-Umrundung der Schweiz: die Fahrt über die Zentralalpenpässe. Klingende Namen wie Furka, Gotthard, Grimsel oder Nufenen warten auf mich. Alles geschichtsträchtige Alpenübergänge, die seit Jahrhunderten allen möglichen Völkern und Reisenden die Passage über den massiven Gebirgszug in der Mitte Europas gewähren – und nun also auch mir.

 

Endlich wieder im Postauto: Fahrt von Ulrichen nach Oberwald
Endlich wieder im Postauto: Fahrt von Ulrichen nach Oberwald
...

 

Am Bahnhof Oberwald steige ich allerdings zwischenzeitlich schon wieder aus, denn während dieser Kurs direkt über den Furkapass in Richtung Andermatt düst, will ich noch eine kleine Extrarunde einlegen: über den Grimselpass hinunter ins Berner Haslital, wo die steilste Standseilbahn Europas wartet.

Was mich am Bahnhof Oberwald abholen kommt, passt aber so gar nicht in die bevorstehende Berglandschaft: ein hundskommuner teils niederfluriger Citaro-Bus, dessen bevorzugtes Revier eigentlich klar die Innenstadt wäre. Mal schauen, als wie bergtauglich sich diese Kiste entpuppt! Der Bus trägt überdies ein Berner Kennzeichen und wird von der Firma AVG betrieben. Das steht für nichts anderes als AutoVerkehr Grindelwald und deutet auf die eigentlichen Stammlande des Unternehmens hin. Besser bekannt ist dieses heute als GrindelwaldBus. Unter dieser Bezeichnung betreibt es ein Regionalbus- und Reisecar-Netz ab der Alpenmetropole, ja jagt sogar regelmässig tonnenschwere Vehikel als Schlittelbusse über verschneite Feldwege hoch auf die Bussalp (siehe Bilder am Ende dieses Beitrages). So ganz nebenbei schmeisst man aber seit 1999 für Postauto auch noch den Ortsbus von Meiringen, sowie einige Berg- und Passlinien ab jenem Standort. Und nun hat sich der kleine Stadtbus also wirklich 90 Kilometer von seiner Heimatbasis entfernt und bis ins feindliche Wallis vorgewagt? Nicht schlecht!

Der Fahrer begrüsst mich denn auch in breitestem Berner Oberländer Dialekt – was nach tagelanger Walliserdiitsch-Exposition schon fast wieder wie eine Fremdsprache klingt. Um einen “gmögigen” Klischee-Bäremutz handelt es sich aber nicht gerade. Seine Attitüde liegt irgendwo im engen Feld zwischen kernig und unfreundlich, meist eher gegen letzteres tendierend.

 

Mein Citaro-Niederflurbus erreicht Oberwald :-)
Mein Citaro-Niederflurbus erreicht Oberwald 🙂

 

Gleich hinter Oberwald beginnt sich die Strasse zu verengen, und im Wald in relativ engen Serpentinen anzusteigen. Das ist gar nicht mal so unspektakulär. Klar, auf den sich zu Walliser Bergdörfern hochschlängelnden Nebenstrassen waren die Spuren noch viel schmaler – dort kam einem aber auch nicht alle zwei Minuten ein um die Kurven räubernder Reisecar mit belgischen, tschechischen oder italienischen Kennzeichen entgegen. Über ein Posthorn, um den Gegenverkehr vorzuwarnen, verfügt unser Citaro natürlich auch nicht, und so ist der Fahrer gezwungen, vor jeder unübersichtlichen Haarnadel anzuhalten, den Kopf nach hinten zu recken, Ausschau nach tonnenschweren Geschossen zu halten und sich dann langsam in die Kurve vorzutasten.

 

Aha, der Strassenbau wird ideenreicher :-)
Aha, der Strassenbau wird ideenreicher 🙂
Was für eine Wand: Der Grimselpass (VS)
Was für eine Wand: Der Grimselpass!

 

Annäherung ans erste Hindernis
Annäherung ans erste Hindernis

 

postauto
Gegenperspektive: Eine letzte Rhonequerung gleich unterhalb von Gletsch

 

 

Dennoch erreichen wir einigermassen pünktlich den Weiler Gletsch, im Talkessel am Fusse von gleich zwei Passstrassen gelegen. Lässt man seinen Blick in die Höhe schweifen, erkennt man sehr bald die mächtigen Spuren der Ingenieure: Gletsch ist nämlich nicht nur umringt von Berggipfeln, sondern auch von Passstrassen: an mehreren Steilwänden prangen diese imposanten Zeugen Schweizer Strassenbaukunst.

Während der Furka noch aus der Ferne grüsst, nehmen wir bereits das erste Set an Serpentinen in Angriff: die steile Südrampe der Grimselpass-Strasse mit ihrem bekannten Zickzack-Kurs. Wie auf einer «Chügelibahn» fahren wir entlang der Steilwand hin und her, während wir auf jedem Abschnitt ein paar Höhenmeter dazugewinnen. Auf der gut ausgebauten Strasse ist das Vorwärtskommen kein Problem, und so schrauben wir uns mühelos in die Höhe.

 

postauto
Wie ein Leiterlispiel 🙂

 

postauto
Haarnadel-Action!

 

postauto
Prächtiges Wetter für eine Fahrt in die Berge! Im Hintergrund die Furka-Passstrasse, welche ich in der nächsten Episode befahren werde.

 

Immer besser wird die Aussicht, immer umfangreicher das Panorama. Schon sind wir oben angelangt, passieren das Schild der Passhöhe – 2’164 m.ü.M., neuer Höhenrekord! – und kommen vor dem tiefblauen Totensee zum Stehen. Und was für eine Atmosphäre hier oben! Jubel, Trubel, Heiterkeit inmitten der kargen Bergszenerie. Motorradgruppen aus Italien treffen auf Schweizer Flachländer und Niederländische Camper. Dieses Spannungsfeld hier an der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee gefällt mir irgendwie. Und am meisten gefällt mir natürlich der Fakt, dass mich das Postauto mitten in die Berge gebracht hat – der Niederflur-Citaro hat seine Aufgabe also echt gut gemeistert!

Echt nett hier oben :-)
Echt nett hier oben 🙂
Auf der Passhöhe angekommen
Auf der Passhöhe angekommen

 

Wundervoll!
Wundervoll!

 

Bereits ein paar Wochen früher: Ein Bild mit Schnee - und Postauto :-)
Ja sogar etwas Schnee liegt noch! 🙂

 

Blick hinunter ins Haslital
Blick hinunter ins Haslital

 

Auch wenn sie nicht auf meiner eigentlichen Reiseroute liegt, entscheide ich, zusammen mit dem Postauto noch einige Haltestellen weiter in Richtung Meiringen zu fahren, denn da wartet eine weitere atemberaubende Attraktion. Doch schon die Talfahrt alleine ist unbeschreiblich schön. Die Strasse ist nun nicht mehr so streng stur und symmetrisch in den Fels gehauen wie auf der Südseite, sondern schlängelt sich lieblich durch die Topographie, mit immer wieder fantastischen Ausblicken auf die drei Grimsel-Stauseen.

 

Der Grimselsee, einer der drei Stauseen im Gebiet
Der Grimselsee, einer der drei Stauseen im Gebiet. Diesem entspringt auch die Aare, die mich schon auf so vielen Stationen meiner Reise begleitet hat. Echt faszinierend!
Diesem entspringt auch die Aare, die mich schon auf so vielen Stationen meiner Reise begleitet hat. Echt faszinierend!
Der Grimselsee mit seinem Staudamm, welcher auch das links sichtbare Hospiz erschliesst – und auch dem Postauto die Anfahrt erlaubt.

 

Durchaus idyllisch hier oben :-)
Durchaus idyllisch hier oben 🙂
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Blick hinunter auf den Räterichsbodensee
Blick hinunter auf den Räterichsbodensee

 

Auch mit unerwarteten Leckerbissen wird nicht gegeizt: So biegt das Postauto plötzlich von der Hauptstrasse auf den Staudamm des Grimselsees ab, um das hoch über dem See thronende Hotel Grimsel Hospiz zu bedienen. Seit dem Jahr 1142 steht hier ein Gasthaus, was es zur ältesten (urkundlich erwähnten) solchen Institution in der Schweiz machen soll. Beim Wendemanöver auf dessen engem Parkplatz demonstriert der Fahrer auch gleich, wie gut er sein Postauto kennt: Von meinem Logenplatz rechts vorne sehe ich perfekt, wie er die Stossstange zentimetergenau (und ich meine zentimetergenau, denn mehr als zwei Zentimeter Platz blieben da nicht mehr!) an der Abschrankung des Parkplatzes vorbeigleiten lässt.

 

Das Grimsel Hospiz, fast scheint es auf einer Insel im See zu schwimmen :-)
Das Grimsel Hospiz, fast scheint es auf einer Insel im See zu schwimmen 🙂

 

Angesichts dieser grossartigen Fahrleistungen verzeihe ich dem Berner Eisklotz seine etwas gar ungehobelten Umgangsformen doch glatt. Doch die Bergluft scheint ihm ohnehin bekommen zu sein, denn er taut etwas auf. Hatte er bisher alle passierten Attraktionen derart kurz angebunden und unmotiviert kommentiert, dass es gänzlich offensichtlich war, dass er diesen Extraservice für die Touristenstrecke nur auf Geheiss von oben ausführte, blitzt nun doch langsam so etwas wie Humor auf: Auf ein Tunnelportal zufahrend meint er über das Mikrofon, wie ein Tunnel von innen aussähe wüssten wir doch sicher alle zur Genüge – also zeige er uns lieber die alte Grimselpassstrasse, die aussen der Bergflanke entlangführt. Es folgen zwei spektakuläre Fahrminuten auf einem engen Strässchen, auf welchem wir mit dem grossen gelben Bus einigen Radfahrern einen gehörigen Schrecken einjagen!

 

Gümmeler erschrecken auf der alten Passstrasse :-)
Gümmeler erschrecken auf der alten Passstrasse 🙂

 

Ankunft im Haslital
Sieht ja fast aus wie in Kanada: Ankunft im Haslital

 

Kurz nach dem Ende der eigentlichen Passstrasse kommt bereits meine angestrebte Haltestelle in Sicht: “Handegg, Gelmerbahn”. Das ist nicht einfach ein weiteres Alpenbähnchen, wie es so viele gibt in der Schweiz; nein, es handelt sich dabei um die steilste Standseilbahn Europas. Gebaut eigentlich zur Versorgung des dort oben gelegenen Stausees, ist die Bahn heute der Öffentlichkeit zugänglich. Bis zu 106 Prozent beträgt die Steigung, das entspricht einem Winkel von über 45 Grad. Als zusätzliche Attraktion sind die Sitze im kleinen Cabrio-Holzwägelchen, welches die rund 1’000 Meter lange Strecke und immerhin 450 Höhenmeter überwindet, alle talwärts ausgerichtet. So hat man, während man behäbig aber steil in die Höhe gezogen wird, eine fantastische Aussicht über das Haslital und die Gipfel der Grimselgegend. Wenn man denn überhaupt hinschauen kann, denn wer nicht gänzlich schwindelfrei ist, kriegt es auf der steilen und exponierten Strecke schnell mal mit schlotternden Knien oder einem flauen Gefühl in der Magengegend zu tun.

 

70 Meter über dem Handeckfall wurde diese Hängebrücke errichtet. Ein Adrenalinkick...
70 Meter über dem Handeckfall wurde diese Hängebrücke errichtet. Ein Adrenalinkick…
...mit sehr guten Ausblicken, auf Wasserfall und Postauto!
…mit sehr guten Ausblicken, auf Wasserfall und Postauto!

 

Ganz schön steil: die Gelmerbahn
Ganz schön steil: die Gelmerbahn

 

Nichts für schwache Nerven :-)
Nichts für schwache Nerven 🙂
Bloss nicht runterschauen!
Bloss nicht runterschauen!

 

Die Strapazen lohnen sich. Nach der kurzweiligen Fahrt findet man sich in der alpinen Idylle wieder...
Die Strapazen lohnen sich. Nach der kurzweiligen Fahrt findet man sich in der alpinen Idylle wieder…

 

Die nervlichen Belastungen sind aber sogleich vergessen, wenn man nach 10-minütiger Fahrt aussteigt, und den wunderschön klaren, tiefblau gefärbten Gelmersee erblickt, eingebettet in die Berge und begrenzt von einer 35 Meter hohen und 370 Meter langen Staumauer. Ein unvergessliches Highlight – und all dies ist erschlossen mit dem Postauto!

 

Wow!
Wow!

 

Der Gelmersee am Grimselpass - was für ein Juwel!
Was für ein Juwel!

 

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Schon geht's wieder nach unten :-)
Schon geht’s wieder nach unten 🙂

 

Auch zurück ins Wallis bringt mich wieder ein Postauto der AVG – diesmal auch kein Stadtbus mehr, sondern ein typischer Überländer: ein Setra S415H aus dem Jahr 2013 nimmt mich mit in den Weiler Gletsch am Fuss von Grimsel und Furka. Dort wartet dann in der nächsten Etappe schon die nächste Pass-Überquerung – jaa, so kann das gerne weitergehen!

 

Auf der alten Passstrasse unterwegs :-)
Auf der alten Passstrasse wieder bergwärts unterwegs 🙂
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Die Staumauer des Räterichsbodensees wird für grossflächige Kunst benutzt
Die Staumauer des Räterichsbodensees wird für grossflächige Kunst benutzt
Bergfahrt dem Grimselsee entlang
Bergfahrt dem Grimselsee entlang

 

Bergfahrt

 

postauto
Passhöhenfoto 🙂

 

Talfahrt, das nächste Ziel bereits im Blick: Der Furkapass
Talfahrt nach Gletsch, das nächste Ziel bereits im Blick: Der Furkapass

 

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Exkurs: Mit Autoverkehr Grindelwald auf die Bussalp

Sooo, und diejenigen, welche gern sehen möchten, was Autoverkehr Grindelwald mit ihren Bussen sonst so treibt, sind herzlich zu einer winterlichen Exkursion auf die (treffend benannte) Bussalp eingeladen. In einer spektakulären 40-minütigen Fahrt bringen einem die Vehikel des Betriebs von Grindelwald aus auf engen verschneiten Weglein bis auf 1’800 Meter Höhe über Meer, von wo man dann (auf der von den Bussen vortrefflich plattgewalzten Schneepiste) in einer rasanten Abfahrt wieder ins Tal schlitteln kann. Eine Riesengaudi auf der Berg- und Talfahrt! Ab und zu verirrt sich auch ein Postauto auf den Kurs, nur leider nicht an jenem tief verschneiten Februartag. Doch auch die firmeneigenen Busse verfügen über ein Dreiklanghorn, welches fast pausenlos zum Einsatz kommt, um Schlittler vor dem nahenden Bus zu warten.

 

 

 

 

Voll konzentriert…
…nehmen wir Kurs auf die Bussalp

 

Bei Schlittlern sind die Busse sehr beliebt…
…und so fahren sie meist gar im Konvoi

 

Jaa, da wird richtig winterliche Action geboten!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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