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Im zweiten Teil der Runde durchs Drei-Seen-Land wandere ich dem Murten- und Neuenburgersee entlang, geniesse oberhalb Erlachs die Aussicht auf den Bielersee, schaue mich im historischen Avenches um – und fahre natürlich wieder ganz viel Postauto!
8: Seeland-Runde II: Avenches – Erlach – Neuchâtel
Fahrt-Logbuch:
Linie | Von | Nach | Bus | BJ | Halter | Zeit | KM |
– | Murten, Bahnhof | Avenches, Plage | Zu Fuss | – | – | 1:15 | 6,8 |
533 | Avenches, Plage | Avenches, Gare | Fiat Ducato NF | 2013 | Favre, Avenches | 0:07 | 2,6 |
535 | Avenches, Gare | Cudrefin, Place de la Tour | Volvo 8700 LE | 2004 | Favre, Avenches | 0:22 | 14,8 |
531 | Cudrefin, Place de la Tour | Ins, Bahnhof | Renault Master T39 | 2009 | Favre, Avenches | 0:14 | 8,4 |
527 | Ins, Bahnhof | Erlach, Post | MAN NL323 / A21 Lion’s City | 2011 | Eurobus, Erlach | 0:17 | 12,2 |
526 | Erlach, Post | Le Landeron, Gare | MAN NL323 / A21 Lion’s City | 2009 | Eurobus, Erlach | 0:16 | 11,8 |
130 | Le Landeron, Gare | Marin-Épagnier, Gare | MAN NÜ313 / A20 Lion’s City Ü | 2006 | Funicar EP SA, Biel | 0:23 | 11,7 |
– | Marin-Épagnier, Gare | Neuchâtel, Gare | Zu Fuss | – | – | 1:40 | 7,9 |
English Summary:
In this second part of my detour through the Three Lakes region I continue from historic Murten with a walk along the lake of the same name, reaching the town of Avenches which dates back to Roman times. After a quick look around the remnants of its amphitheatre, I ride the yellow busses onwards to the shores of Lake Neuchâtel, the largest body of water that lies completely on Swiss territory. After some relaxation next to its deep blue waters I continue to the historic town of Erlach, whose castle is towering above the shoreline of the third body of water, Lake Biel. It’s already late in the evening as I progress further via Le Landeron to Marin-Épagnier in order to rejoin Lake Neuchâtel. Too many lakes for you? Don’t worry, I kinda felt the same, especially as the sun sank below the horizon and a lengthy 8km hike along Lake Neuchâtel’s shores was still waiting for me. Despite the seemingly endless, constantly criss-crossing hiking track and my clumsy stumbling over a countless amount of roots and stones in the darkness, I eventually made my way into the city of Neuchâtel, my safe harbour for the night.
Auf meiner Extrarunde durchs Berner Seeland bin ich in der letzten Etappe in der Zähringerstadt Murten stehengeblieben. Nun ist das Ziel, mich irgendwie zurück an den Bieler- und Neuenburgersee durchzuhangeln, um dort meine Schweiz-Umrundung fortzuführen. Ab Murten sieht es aber mit passenden Postauto-Strecken düster aus, weshalb erst einmal wieder die Beine zum Zug kommen. Immerhin verläuft die Strecke zum nächsten Postauto-Knotenpunkt Avenches auf idyllischen Wegen dem Murtensee entlang, und die Aussicht, dass ich dabei sogar noch die Kantonsgrenze zur Waadt überschreite und damit erstmals Fuss in die “echte” Romandie setze, beflügelt zusätzlich.
Meine erste waadtländer Gemeinde heisst Faoug. Ein Wortkonstrukt, das ich mir nur mit einer Wette unter den Stadtgründern erklären kann, möglichst viele Vokale aneinander zu packen, ohne sich dabei von Konsonanten stören zu lassen – aber vielleicht liege ich auch komplett daneben. Mit Faougs Name ist das ohnehin so eine Sache. Früher hiess der Ort Foz (auch nicht besser), was von den französischen und lateinischen Bezeichnungen fagum für Buchenwald abstammt. Dann übernahmen die Deutschsprachigen das Zepter und fanden: “Hey, fagum klingt irgendwie wie Pfauen – nennen wir den Ort doch so!” Wieder etwas später kamen die Franzosen zurück, und französischten ihrerseits nun das Wort Pfauen ein. Es entstand, eben, die Gemeinde Faoug, welche nun – um beiden Partien gerecht zu werden – auf ihrem Wappen eine Buche und einen Pfau trägt. Ich muss mich mit solchen Wikipedia-Auszügen bei Laune halten, denn leider verläuft der so herbeigesehnte Uferweg zu 99 Prozent im Wald oder hinter den am See gebauten Prunk-Immobilien, weshalb es wenig zu sehen gibt – aber immerhin komme ich so schneller vorwärts.
Dass ich schnell vorwärts komme hat aber auch seine positiven Seiten, denn so erwische ich beim Strand von Avenches gleich noch den “Aventibus”, den von Postauto betriebenen Ortsbus, welcher mir die letzten zwei Kilometer ins Städtchen hinein abnimmt und mir mit dem Fiat Ducato erst noch einen neuen Fahrzeugtypen ins Logbuch katapultiert. Mercischön! Da ich mich nun im Welschland bewege, will ich mich natürlich der lokalen Kultur anpassen, und bestelle brav ein “demi ticket à la ville”. Und der Fahrer, der Scherzkeks, reisst ein Ticket entzwei und gibt mir die eine Hälfte. Lektion Nr. 74: Das Halbtax heisst auch chez les Welsch Halbtax (oder „demi tarif“, wie mich ein paar Tage später ein anderer Busfahrer aufklärt, der seinerseits wiederum „Halbtax“ nicht verstehen will). Die kurze Fahrt ins Zentrum verläuft abgesehen vom anhaltenden Gelächter des Chauffeurs, welches mit der Zeit etwas zu höhnisch-penetrant zu werden beginnt, völlig ereignislos. Die einzige passierte Attraktion, die riesige Nespresso-Fabrik, in welcher jährlich 4,8 Milliarden der begehrten Kapseln hergestellt werden verpasse ich leider, weil ich frenetisch google, wie denn das Halbtax auf Französisch wirklich heisst – merci beaucoup.
Eigentlich bin ich ja wegen dem römischen Amphitheater hier, dessen Name wohl jeder Schweizer in der Schule an den Kopf geworfen bekommen hat: Aventicum. Dieses wird allerdings gerade für ein Konzert hergerichtet und ist daher mit zig hundert Gerüststangen gefüllt – kein erhabener Anblick. Die Kohlen holt dafür die Altstadt aus dem Feuer, welche sich wie eine Miniatur-Ausgabe von Murten präsentiert: eine durchaus schmucke Hauptstrasse, ein adrettes Schloss mit ein paar Türmchen, und eine gute Aussicht.
So bringe ich die 40 Minuten in Avenches schnell herum, bis ich am Bahnhof den nächsten Bus vorfinde – oder besser deren zwei. Es gibt nämlich tatsächlich zwei Busse, welche zur gleichen Minute abfahren und Kurs auf meinen Zielort Cudrefin (selbst ja nicht gerade der Nabel der Welt) nehmen: der eine via Ort A, der andere via Ort B. System Greifzange, wie mir der Fahrer das wild gestikulierend erklärt: Durch diesen ÖV-technischen Zweifrontenkrieg kann sich kein Bewohner des Umlandes dem Postauto entziehen und alle Gemeinden erhalten eine gleichwertige Bus-Verbindung nach Cudrefin. Offenbar ist das aus irgendeinem Grund wichtig. Naja, für mich klingt das eher nach System Geldverschwendung, aber mir soll es recht sein: so habe ich nämlich den ganzen Bus via B für mich allein, während im Bus via A 30 Schüler sitzen. Ätsch. Die Fahrt via B ist zudem auch landschaftlich viiiiiel schöner – es geht auf sehenswert geschwungenen Asphaltbändern über Felder, an Rebhügeln vorbei und durch enge Dorfpassagen.
Cudrefin ist nach gut zwanzig Minuten erreicht. Seine verkehrsreiche Hauptstrasse mit dem einen historischen Türmchen ist ziemlich nett, doch daneben zieht mich an diesem heissen Sommertag hauptsächlich der von einladend blau glitzerndem Wasser umringte Bootsanleger an – willkommen am Neuenburgersee!
Ich mache es mir auf dem schön gepflegten Rasen des Campingplatzes mit Seeanstoss gemütlich und verzehre genüsslich eine Portion Pommes – jaja, so erholsam kann Postauto-Fahren sein! Mit dieser kurzen Verschnaufpause vergehen auch die 45 Minuten in Cudrefin recht flink, doch dann ruft wieder mein dicht gestrickter Tages-Fahrplan. Der zweite Minibus des Tages gabelt mich auf: Ein kleines Vehikel der Marke Renault, mehr Familienkutsche als Postauto, aber jänu. Verursacht immerhin weniger Betriebskosten (hoffe ich), denn einmal mehr sitze ich alleine drin. Es geht ins Dörfchen Ins, von dem ich bis heute nicht weiss, ob man es Französisch (so etwa: “ööö”) oder Deutsch ausspricht.
Für die 14 Minuten Reisezeit nach Ins ist die Busgrösse aber letztlich egal, denn dort wartet bereits wieder das nächste normalgrosse Postauto für die Weiterfahrt nach Erlach – oder besser gesagt schon wieder deren zwei. Oder sehe ich einfach nur doppelt? Ich verspreche euch, ich habe trotz dem zwischenzeitlichen Abstecher in den Weinkanton Waadt noch nicht zu tief ins Glas geschaut; auch einen Sonnenstich dementiere ich vehement, schliesslich sitze ich ja fast den ganzen Tag über in irgendwelchen gelb bepinselten Metallröhren. Aber System Greifzange erfreut sich offenbar auch im wieder betretenen Bernbiet grosser Beliebtheit, und beschert mir obendrein nicht nur eine längere Fahrt fürs Geld (natürlich nehme ich den Bummelkurs mit den grösseren Umwegen im Fahrplan) sondern wiederum ein Zweierdate mit dem Fahrer. Die Sonne hat sich mittlerweile merklich gesenkt und taucht die immergleichen Felder nun wenigstens in warme Farbtöne. Nach Passieren von zwei oder drei kleinen Weilern kommt schon die Skyline von Erlach in Sicht: die auf einem Hügel thronende Häuseransammlung mit Schloss, die sich Altstadt nennt.
Schön ist diese aber allemal, besonders pittoresk ist allerdings der Blick vom Dorfhügel über das Schloss hinweg auf die Petersinsel und den Bielersee! Da lohnt es sich auch, für diesen Ausblick meinen eigentlich eingeplanten nächsten Bus zu verpassen und noch eine Stunde länger hier zu bleiben. Immerhin erlaubt mir dies, den Tag am Strand-Camping von Erlach ausklingen zu lassen, und bei Fischknusperli und Bratwurst vom Snack-Stand den Wellen zuzuschauen. Jaja, diese Romands haben das mit dem savoir-vivre schon im Griff!
Das mit der Entspannung war aber nur vorübergehend, eine kurze Regenerations-Phase sozusagen – aufs Ende des Tages hin wird’s nämlich nochmals anstrengend. Die zweitletzte Fahrt des Tages führt mich erst hinüber nach Le Landeron am Südende des Bielersees, aber wirklich viel erzählen kann ich darüber nicht mehr – bin wohl etwas viel Postauto gefahren heute (der Tag startete in Biel, was das Tagespensum auf 13 Fahrten und vier Wanderungen hochschnellen lässt).
Von Le Landeron geht es schnurstracks weiter, das letzte Postauto für heute bringt mich an den Bahnhof von Marin-Épagnier am Neuenburgersee. Auch hier gibt’s nicht übermässig viel zu sehen: Mein Bus fährt auf der Landstrasse nach Südwesten, eingepfercht zwischen der Autobahn links und der Bahnstrecke rechts. Aber klar, wieso auch nur zwei Transportmittel anbieten, wenn man auch drei in die Landschaft packen kann? Bin ich erst noch fast allein mit dem Fahrer unterwegs, zeigt sich die Berechtigung dieses nur wenige Male täglich operierenden Postauto-Kurses schon bei einem der ersten Halte: eine grosse Schar Schüler steigt ein und lässt sich den ganzen Weg bis nach Marin bringen.
Eine interessante Begebenheit am Rande: Schon als ich zusteige, sitzt in der vordersten Reihe ein etwas bünzlihaft wirkender älterer Herr, der aber doch auf gewisse Weise unverkennbar Macht und Autorität ausstrahlt. Ja, er thront sogar richtiggehend auf seinem privilegierten Sitz rechts vorne (den ich für meine Fotos auch gerne gehabt hätte…). Vielleicht ein Gemeindepolitiker oder so, denke ich. Nicht ganz. Als nämlich die Schüler einsteigen, grüsst ihn jeder einzelne ehrfürchtig mit “Bonjour, Monsieur le Directeur!”. Ja sogar ein Mittdreissiger zeigt, offenbar geprägt von seiner Jugendzeit, dasselbe Verhaltensmuster, und ich meine gar eine leichte Verbeugung zu erkennen, als er seinem Gegenüber demütig die Hand reicht. Die ganze Fahrt über verhalten sich die Schüler ruhig und gesittet. Den Schulrektor gleich selbst im Postauto mitfahren zu lassen, um auf diese Weise für Zucht und Ordnung im Gefährt zu sorgen – eine formidable Idee!
Die Strafe dafür, dass ich der Linie erst ihre Berechtigung absprechen wollte, folgt auf dem Fuss: In Marin-Épagnier vor den Toren Neuchâtels ist Ende Gelände und das Postauto-Netz verzeichnet eine weitere Lücke. Ich bin also ein weiteres Mal auf meine Füsse angewiesen, um ins Stadtzentrum von Neuenburg zu gelangen. Von Marin aus sieht man bereits die Häuser der Grossstadt in einiger Entfernung über dem Ufer des Neuenburgersees glitzern, was mich genug beflügelt, um die Wanderung sogleich in Angriff zu nehmen. Sie scheinen zum Greifen nah, und doch trennen mich noch 7 Kilometer von meinem Etappenziel, während die Dunkelheit sich langsam durchs abendliche Sonnenlicht frisst. Also setze ich mich besser mal in Bewegung!
Der Wanderweg versteht sich offenbar als naturnaher Seeufer-Lehrpfad und pflügt sich mit vielen Zickzack-Abschnitten durchs dichte Schilf beziehungsweise den düsteren Uferwald. Dieses Mal sind die Kürveleien zwar (anders als im Jura) tatsächlich den Landschaftsarchitekten und nicht der Topographie geschuldet, doch das nervt mich nur umso mehr: Richtig vorwärts komme ich mit dieser unökonomischen Wegführung nicht, und im Dunkeln stolpere ich mit zunehmender Häufigkeit über fiese Fussfallen aus verknoteten Schilfstängeln oder freiliegenden Wurzeln. Gehört wohl alles zum Naturerlebnis, welches man der verstädterten Zielgruppe hier im durchdesignten Naherholungsgebiet mit Gewalt aufzuzwingen versucht. Ja, ich geb’s ja zu: Ich habe Stalldrang, in Neuenburg erwartet mich ein schönes Hotelzimmer mit einem feeeeinen Bett. So wechsle ich nach der Hälfte der Distanz schliesslich auf die Hauptstrasse – hier komme ich einerseits meinem Ziel rascher näher, und komme andererseits auch nicht in Versuchung, angesichts der malerischen Abendstimmung in Seenähe allzu häufig die Kamera aus dem Rucksack zu klauben.
So darf die Kamera pausieren, und auch ich schliesslich nach 100 Minuten Fussmarsch die müden Beine hochlagern. Zum Einsatz kommt der Foto-Apparat erst am nächsten Morgen wieder, denn der Ausblick aus meinem Hotelzimmer auf Stadt und See ist echt genial! Aber für mehr Eindrücke aus Neuchâtel müsst ihr euch bis zum nächsten Blog-Eintrag gedulden 🙂
One Response
Reto
Der französische Name von Ins ist Anet.