6: Chasseral – La Neuveville – Biel

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Lesezeit: ca. 6 Minuten

Vom Juragipfel führt mich diese Etappe über das Plateau de Diesse hinunter an den Bielersee, wo mich das historische Städtchen La Neuveville erwartet. Dann geht’s zurück aufs Plateau, zum Hotel Twannberg, und in einer aussichtsreichen Wanderung bis in die Innenstadt von Biel.

6: Chasseral – La Neuveville – Biel

 

Fahrt-Logbuch:

Linie Von Nach Bus BJ Halter Zeit KM
132 Chasseral, Col La Neuveville, Gare MAN NÜ323 / A20 Lion’s City Ü 2008 Funicar EP SA, Biel 0:59 23,3
132 La Neuveville, Gare Nods, École MAN NÜ323 / A20 Lion’s City Ü 2014 Funicar EP SA, Biel 0:29 12,3
003 Nods, École Twannberg, Hotel MAN NÜ323 / A20 Lion’s City Ü 2014 Funicar EP SA, Biel 0:24 16,0
Twannberg, Hotel Biel, Bahnhof Zu Fuss 2:02 9,1

 

English Summary:

English Translation - click to view

After having climbed up Mount Chasseral on foot in the previous episode, I’m very happy to see a PostBus waiting up there for me. Over the winding and narrow mountain road it takes me down all the way to the medieval city of La Neuveville on the shores of Lake Biel. With its lovely alleyways and its many remaining watchtowers, this gem gives you a welcome glimpse of the past. I return to the present by taking another bus halfway up the mountain, to the Plateau of Diesse, and onwards to a conference center and hotel on a small hill named Twannberg. Unfortunately, the views from there are nowhere as gorgeous as expected, and so I start with my next hike right-away. All the way down to the city of Biel. The first hour is spent entirely inside the forest with no views either, but after the half-way mark, I reach the vineyards of Tüscherz and enjoy a splendid panorama of the lake below. I finally make my way into the city of Biel, which surprises me not only with its laid-back Beach Bar on the lake, but also with its quiet and classy old town.

 

 

Nach dem Erklimmen des Chasseral per pedes in der letzten Episode sind besonders meine Knie froh, dass auch eine Passstrasse auf den höchsten Punkt des Berner Juras führt, und diese es auch dem Postauto ermöglicht, den Berg anzusteuern. Pünktlich um 17 Uhr müht sich der als MAN Lion’s City für diesen Einsatzzweck etwas unpassend benamste gelbe Bus die Haarnadeln hoch und gabelt mich in dieser wunderbaren voralpinen Szenerie auf. Ziel des Kurses ist erst das Plateau de Diesse, ein Hochplateau zwischen Bielersee und Chasseral, und am Ende schliesslich die Stadt La Neuveville direkt am Wasser.

 

Auf dem Chasseral (BE)
Vor traumhafter Kulisse erklimmt das Postauto die letzten Höhenmeter bis auf den Chasseral

 

Talfahrt vom Gipfel des Chasserals (BE)
Talfahrt vom Gipfel des Chasserals in Richtung Nods

 

Die Talfahrt wird äusserst behutsam und in veritablem Schneckentempo absolviert. Das liegt aber nicht etwa daran, dass der Chauffeur angesichts des Manövrierens seines tonnenschweren Brummers auf dem Bergsträsschen Muffensausen gekriegt hätte. Nein, aber so manch ein entgegenkommender Autofahrer weiss nicht so recht, wie er auf der schmalen Strasse mit dem grossen gelben Opponenten umgehen soll. Teilweise wird auf doch recht unkonventionelle Weise ausgewichen, und jeder dritte Automobilist verfällt dabei früher oder später in eine Art Schockstarre, in welcher er weder vor noch zurück weiss. Geduldig hilft der Chauffeur diesen vergelsterten Verkehrsteilnehmern einem Dirigenten gleich mit Handzeichen auf die Sprünge, oder umfährt die vierrädrigen Hindernisse in Eigeninitiative zentimetergenau.

 

Auf der Chasseral-Passstrasse ist an diesem Sonntag Zentimeter-Arbeit gefragt!
Auf der Chasseral-Passstrasse ist an diesem Sonntag Zentimeter-Arbeit gefragt!
Auf engen Strassen vom Chasseral-Gipfel aus talwärts...
Auf engen Strassen talwärts…

 

Trotz alledem sind wir gut in der Zeit. So gut sogar, dass der Fahrer Zeit findet, im Städtchen Nods mit allen Fahrgästen an Bord gleich noch in die Garage zu fahren. Hier erhält sein Bus eine neue Tankfüllung (Bergfahrten machen offenbar durstig…), und gleich auch noch eine Frontscheiben-Massage vom Fahrer spendiert.

Nods ist das Zentrum der Postauto-Linien hier auf dem Plateau de Diesse und die Heimat der Handvoll Busse, welche die Funicar EP SA für Postauto hier betreibt. Funicar wurde bereits 1959 gegründet (mit dem Hauptsitz am Fusse einer Bieler Seilbahn, daher der Name), war aber lange nur als Subunternehmer für die Bieler Verkehrsbetriebe, als Anbieter von Carreisen und Transportleistungen mit Lastwagen unterwegs. Erst 2006 wurde man von Postauto auch mit dem Befahren der Linien auf dem Plateau de Diesse beauftragt, und so spulen die paar MAN-Busse des Betriebs nun tagtäglich fröhlich mehrere tausend Höhenmeter ab. Oder eben, machen Rast in der Garage 🙂

 

Unerwarteter Garagen-Halt in Nods - mit Passagieren!
Unerwarteter Garagen-Halt in Nods – mit Passagieren!

 

 

Eigentlich könnte auch ich hier in Nods rasten und auf meinen nächsten Bus warten, doch das wäre zu einfach (und zu langweilig…). Auch wenn es sich durchaus charmant präsentiert, viel hat das Bauerndorf nicht zu bieten. Ein paar stattliche Höfe, eine ältliche Kirche und ein niedlicher Gemeindeturm zeugen von seiner landwirtschaftlichen Geschichte. Heute ist das Dorf im Schatten des Chasserals verstärkt ein Wohnort für Pendler, nur eine Käserei ist noch übrig geblieben.

 

Nods mit dem Chasseral
Nods mit dem Chasseral
Tour Communale von Nods, mindestens aus dem 17. Jahrhundert
Tour Communale von Nods, mindestens aus dem 17. Jahrhundert

 

Stattdessen bleibe ich in meinem Postauto sitzen und geniesse die extensive Fahrt über das Plateau de Diesse, denn die Postauto-Strecke beschreibt im Bestreben, möglichst jedes Dorf abzuklappern, einen riiiiiesigen Bogen. Schliesslich nehmen wir aber doch noch den steilen Abstieg hinunter an den Bielersee in Angriff und erreichen bald, 1200 Höhenmeter unter unserem Abfahrtsort notabene, das hübsche Städtchen La Neuveville, welches schon seit dem Mittelalter ungemein einflussreicher war als Nods.

 

Auf dem Plateau de Diesse unterwegs
Auf dem Plateau de Diesse unterwegs
Kurz vor La Neuveville, BE
Wir erreichen La Neuveville

 

La Neuveville war bereits im 14. Jahrhundert vom Basler Fürstbischof gegründet worden, um die Grenze zum Fürstentum Neuenburg zu bevölkern und Flüchtlinge von da aufzunehmen. In der Folge prosperierte La Neuveville vor allem dank seinen perfekt zur Sonne exponierten Rebbergen und dem Fischfang, und gewann rasch an Einfluss. Es entstand die bis heute sichtbare historische Stadtanlage mit drei parallelen Gassen, umfriedet von einer Stadtmauer mit sieben Türmen – alles bis heute erhalten. Das verspricht also sehr viel historische Bausubstanz!

 

Übersicht über La Neuveville, BE
Übersicht über La Neuveville

 

Aus der Drohnenperspektive zeigt sich La Neuvevilles spezielle Stadtanlage besonders gut

 

Und genau so ist es dann auch. Von der Stadtmauer ist zwar nicht mehr viel zu sehen, übrig geblieben sind dafür ein halbes Dutzend sehenswerte Türmchen. Und auch in der Altstadt selbst geht es beschaulich zu und her. In der Hauptgasse, zwischen dem schön gestalteten Brunnen und dem roten Turm im Hintergrund, buhlen diverse Cafés um die Gunst der wenigen Touristen. Die Seitengässchen sind etwas gewöhnlicher, die alten Fassaden zwar intakt aber unspektakulär. Interessant ist, wie im oberen Teil der Stadt überall überhängende Dächer beobachtet werden können: hier, früher noch ausserhalb des Stadtkerns, hausten damals die Handwerker, welche daran ihre Seilzüge befestigten.

 

Der Tour Wyss im Südosten von La Neuveville
Der Tour Wyss im Südosten von La Neuveville
Der Tour Rive markiert die Seeseite der Altstadt
Der Tour Rive markiert die Seeseite der Altstadt

 

Tour Hildebrandt an der Westseite des Städtchens
Tour Hildebrandt an der Westseite des Städtchens
Maison de Gléresse am Nordrand von La Neuveville
Maison de Gléresse am Nordrand von La Neuveville

 

Die Altstadt von La Neuveville, BE
Die Rue du Marché, die Hauptgasse von La Neuveville, mit dem Tour Rouge im Hintergrund

 

Erlach am Bielersee, BE
Blick über den Bielersee auf das Städtchen Erlach am anderen Ufer

 

Die budgetierte Stunde reicht vollständig, um jedes Gässchen La Neuvevilles zweimal abzugehen. Charmant ist das Dörfchen aber jedenfalls, und daher den Umweg definitiv wert. Das nächste Postauto bringt mich wiederum auf der Linie 132 zurück aufs Hochplateau, und von dort setze ich meine Fahrt mit einem Extrakurs fort: eine eigens für die Sommer-Wochenenden kreierte Postauto-Linie fährt zweimal täglich von Nods zum Restaurant und Vergnügungszentrum auf dem Twannberg. 24 Minuten sind dafür budgetiert. Wie ich allerdings feststellen muss, werden allein 20 davon dafür benötigt, um auf der bereits bekannten extensiven Runde hinter dem eigentlichen Kurs herzufahren und in den Dörfern des Hochplateaus potentielle Fahrgäste einzufangen (die Mission scheitert kläglich, ich bleibe der einzige an Bord).

 

Auf dem Plateau de Diesse unterwegs
Abermals auf dem Plateau de Diesse unterwegs

 

Erst nach Komplettierung dieser Runde macht sich das Postauto schliesslich auf in Richtung Twannberg. Gewiss, das schmale Bergsträsschen ist vielversprechend – doch ehe man sich’s versieht, sind die verbleibenden vier Minuten wirklich neuer Wegstrecke um und man ist schon angekommen. 2 Kilometer wahrer Reisefortschritt, na gut – aber irgendwie habe ich mir mehr erhofft.

 

Auf dem Twannberg über dem Plateau de Diesse (BE)
Beim Twannberg-Gipfel mit dem Plateau de Diesse und dem Chasseral im Hintergrund

 

Dasselbe Verdikt trifft auch auf den Twannberg selber zu. Man findet hier zwar ein grosszügiges Restaurant, ein Schwimmbad und gar eine lustige Rutschbahn-Anlage für die Kinder. Aber was ich von einem Berg eigentlich am meisten erwarte, fehlt fast komplett: die Aussicht! Zu viele Bäume stehen im Weg und verdecken den sicherlich herrlichen Blick hinunter auf den Bielersee. Stattdessen sieht man knapp noch dessen östliches Ufer, dann aber vor allem das etwas konturenlose Mittelland.

 

Die "Aussicht" vom Twannberg
Die “Aussicht” vom Twannberg

 

Na gut – der Weg ist ja bei dieser Reise bekanntlich das Ziel, also weiter, denn Weg steht genug bevor: 9 Kilometer Fussmarsch sind es bis hinunter nach Biel. Auch dieses Teilstück ist bei Weitem nicht so aussichtsreich wie erhofft. Es verläuft zum grössten Teil im Wald und die ersten 300 Meter ist der Waldweg gar so schmal und überwuchert, dass ich schon die Jubelschreie der vereinigten Zeckengemeinschaft zu hören glaube. Glücklicherweise habe ich lange Kleidung dabei…
Erst als ich nach über einer Stunde die meisten Höhenmeter schon wieder vernichtet habe, spuckt mich der Waldweg in einem Weinberg oberhalb von Tüscherz aus. Und hier – endlich – finde ich doch noch ein Panorama des Bielersees vor. Perfekt! Von der Uhrenmetropole am Nordende bis fast zur Petersinsel im Süden: Das ganze Gewässer im Blick, und nach kurzer Wartezeit auch noch ein Kursschiff im Fokus. So sollte es sein!

Rebstock-Panorama oberhalb von Tüscherz
Rebstock-Panorama oberhalb von Tüscherz

 

Blick auf den Bielersee bei Tüscherz (BE)
Blick auf den Bielersee bei Tüscherz
Der Eingang des Nidau-Büren-Kanals, eines 12 Kilometer langen Wasserlaufes zwischen Bielersee und Aare
Der Eingang des Nidau-Büren-Kanals, eines 12 Kilometer langen Wasserlaufes zwischen Bielersee und Aare

 

Auch sonst hebt sich die Stimmung immer mehr, je näher ich Biel komme. Zuerst ist da das Bieler Villenviertel direkt am Wasser, welches mir mit seinen modernen Bauten imponiert. Auch der Entscheid, mich dem Seeufer entlang in die Innenstadt zu begeben, ist goldrichtig: bald schon treffe ich auf eine ferienhaft anmutende Anlage mit Liegestühlen, Sandstrand und Sonnenschirmen, umrahmt von typisch südländischem Bambusschilf und berieselt mit Guter-Laune-Musik. Und dazu noch ein thailändischer Essensstand, der Hühnchen mit Cashew-Nüssen und scharfen Papaya-Salat feilbietet. Da ist es um meine asketische Wanderer-Lebensweise rasch geschehen, ich bestelle umfangreich und pflanze mich in einen Plastikstuhl direkt am Wasser nieder. Doch, hier im entspannten Biel gefällt es mir auf Anhieb!

 

Biel begeistert auch mit seinen zahlreichen Kanälen
Das Strandparadies von Biel!
Das Strandparadies von Biel!

 

Auch sonst bin ich von Biel ziemlich angetan – auch wenn ich wegen des unverhofften Essens-Intermezzos die eigentlich schöne Altstadt erst in der Dämmerung erreiche. Dennoch: Die grosszügigen Plätze, die vielen Brunnen, die hübschen Häuschen und die kleinen Krämerläden: all dies gibt ein sehr harmonisches Gesamtbild ab, und ich wäre gerne länger hier verweilt! Und wie es von hier aus weitergeht, erfahrt ihr in der nächsten Episode 🙂

 

 

 

Die Obergasse mit dem Engelsbrunnen
Die Obergasse mit dem Engelsbrunnen
Altstadthäuser am Bieler Burgplatz
Altstadthäuser am Bieler Burgplatz

 

Der Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Bieler Burgplatz, mit einer Justitia-Skulptur von 1714
Der Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Bieler Burgplatz, mit einer Justitia-Skulptur von 1714
Der Vennerbrunnen aus dem 17. Jahrhundert portraitiert den einstigen Bannerträger der Stadt Biel
Der Vennerbrunnen aus dem 17. Jahrhundert portraitiert den einstigen Bannerträger der Stadt Biel

 

Die reformierte Pasquart-Kirche nahe der Bieler Altstadt
Die reformierte Pasquart-Kirche nahe der Bieler Altstadt
Zunfthaus zu Waldleuten, seit dem 15. Jahrhundert die Heimat einer der sechs Bieler Zünfte. Daneben die spätgotische Stadtkirche aus dem 15. Jahrhundert
Zunfthaus zu Waldleuten, seit dem 15. Jahrhundert die Heimat einer der sechs Bieler Zünfte. Daneben die spätgotische Stadtkirche aus dem 15. Jahrhundert

 

Schloss Nidau war der Sitz von 86 bernischen Landvögten in Biel; der heutige Bau geht auf die Jahre 1627-1636 zurück
Schloss Nidau war der Sitz von 86 bernischen Landvögten in Biel; der heutige Bau geht auf die Jahre 1627-1636 zurück

 

Da mein Rencontre mit Biels Altstadt etwas gar kurz war, hier noch ein etwas später aufgenommenes Luftbild dieses Bijous.

Biels Altstadt aus der Luft

2 Responses

  1. Olivier
    | Reply

    Danke fur den schonen blog!

    • Tis
      | Reply

      Sehr gern geschehen!

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