Lesezeit: ca. 6 Minuten
Im paradiesischen Lugano mache ich erst einen kurzen Postauto-Abstecher ins Bergdörfchen Carona, dessen Strasse mit einem ganz besonderen Hindernis aufwartet. Später bringen mich die Postautos auf aussichtsreichen Strassen, gesäumt von Palmen und Villen, dem Ufer des Lago di Lugano entlang in Richtung Süden.
32: Lugano – Carona – Morcote – Bissone – Maroggia
Fahrt-Logbuch:
Linie | Von | Nach | Bus | BJ | Halter | Zeit | KM |
434 | Lugano, Piazza Rezzonico | Carona, Paese | Heuliez GX127 | 2014 | Regie | 0:21 | 7,9 |
434 | Carona, Paese | Lugano, Paradiso | Heuliez GX127 | 2014 | Regie | 0:17 | 6,1 |
431 | Lugano, Paradiso | Morcote, Piazza Grande | Setra S313UL | 2000 | Regie | 0:24 | 10,0 |
431 | Morcote, Piazza Grande | Bissone, Autostrada | Setra S313UL | 2003 | Regie | 0:12 | 6,0 |
– | Bissone, Autostrada | Maroggia-Melano, Stazione | Zu Fuss | – | – | 0:35 | 2,6 |
English Summary:
After having travelled through the rural Alto Malcantone region with its slightly shady air in the last episode, I’m now bound for distinctly posher and prettier destinations.
The city of Lugano by the lake of the same name is already quite a sight and continuously tries to lull me into a relaxing day by the water with its lovely palm-dotted promenade. However, I remain fixed on the goals of my Ticino detour: Reaching the southernmost point of Switzerland and the PostBus network in Chiasso. Admittedly, the first of today’s bus journeys doesn’t get me any closer to that goal, but its lovely destination of Carona high up in the southern hills of Lugano was too good to pass up on. The charming town features plenty of narrow cobblestone streets, literally breathes history – and is home to what may very well be the narrowest constriction in the PostBus network: The underpass beneath its historic church which is so small that it even required custom-designed busses.
After this brief excursion up the mountains I return to the Lugano region’s main asset: Its magnificent lake. Thankfully, a couple PostBus courses allow travelling further south while hugging the coastline which mesmerizes me with its plentiful palm trees, expensive villas and fantastic views over the clear blue waters. The definitive highlight of this section is the lovely little town of Morcote, where the PostBus literally drives over the beautiful lakeside piazza with its enchanting arcades and the cozy little restaurants. Definitely a place I could spend a lot more time in!
Nach meinem Ausflug quer durch den anrüchigen Alto Malcantone bin ich am Ende der letzten Etappe in meinem Mafia-Bus heil nach Lugano gelangt. Die Stadt am gleichnamigen See betört mich auf Anhieb, bereits die Aussicht vom erhöht gelegenen Bahnhof hinunter auf die Innenstadt mutet paradiesisch an. Der Blick schweift über eine lebensfrohe und sonnenverwöhnte kleine Metropole. Hält inne beim tiefblau glitzernden Wasser des Lago di Lugano, welcher die Stadt auf der einen Seite begrenzt, und bei den üppig bewachsenen und von einzelnen Villen bevölkerten Hügelzügen, welche sie von der anderen Seite her umarmen. Das Blickfeld wird umrahmt von ein paar Palmen, welche eine marketingtechnisch besonders gewiefte Person wohl hier pflanzen liess, so perfekt runden sie das Bild ab. Ein Traum!

Rasch suche ich mir durch die Altstadt einen Weg hinunter in Richtung See. Dort würde ich am liebsten stundenlang verweilen, dem Plätschern der Wellen zuhören, die Pedalos beobachten, und einfach die Seele baumeln lassen. Immerhin habe ich mit Lugano die südlichste Grossstadt meiner Postauto-Reise erreicht und könnte definitiv auch ein paar Stunden Erholung gebrauchen. Doch der rastlose Reisende in mir drin macht mit diesen Ruhegelüsten kurzen Prozess. Noch steht mir ein ganzer Sommertag voll Tageslicht zur Verfügung, und statt dieses fürs Faulenzen zu vergeuden nutze ich es lieber, um noch die eine oder andere interessante Postautostrecke zu befahren und mich bis an die Schweizer Südgrenze durchzuhangeln.

So reicht die Zeit gerademal für ein überteuertes Gelato vom nahen Imbissstand, bevor bereits das nächste Postauto um die Ecke biegt: ein Heuliez GX127. Das beschert mir mal wieder einen neuen Hersteller für mein Logbuch, auch wenn die französische Firma eigentlich schon lange zum Iveco-Konzern gehört. Der GX127 ist ein Midibus mit recht schmalen Abmessungen, und damit prädestiniert für die nächste Route: die kurvige Strecke hoch nach Carona. Leider ist er schon ziemlich gut gefüllt, weshalb ich mir keinen Logenplatz mehr sichern kann. Ganz so sehenswert ist die 20-minütige Fahrt in weiten Teilen aber ohnehin nicht: wir kriechen durchs Villenviertel von Lugano-Paradiso, durchfahren dann die kleine Berggemeinde Pazzallo (welche seit 2004 ein Quartier Luganos ist) und gewinnen so an der Flanke des Monte San Salvatore stetig an Höhe. Nur leider sind die sehenswerten Ausblicke hinunter auf Lugano aufgrund der dichten Bewaldung recht dünn gesät.
Schliesslich tauchen wir komplett in ein kleines Wäldchen ein, und erreichen wenig später unseren Bestimmungsort: das Dörfchen Carona, welches de facto seit 2014 ebenfalls ein Quartier Luganos ist.

Carona brachte es schon im Mittelalter zu einem gewissen künstlerischen und finanziellen Reichtum, da zahlreiche lokale Meister wie Maler, Dekorateure, Architekten und Bildhauer in ganz Europa tätig und geschätzt waren, und ihre Heimat stets mit einem Teil ihrer Einkünfte sowie Exemplaren ihres Schaffens bedachten. So sollen viele von Caronas herrschaftlichen Häusern reich mit Stuckaturen und Fresken geschmückt sein, aber für Hausbesuche fehlt mir natürlich die Zeit. Doch alleine schon, entspannt durch die ruhigen und herzigen Gässchen des bisweilen recht rustikalen „Dorfes“ zu wandern, ist eine Wohltat. An jeder Ecke begegnet man einem lieblichen Detail, teilweise scheint echt die Zeit stehengeblieben.



Die knappe Stunde bis zur Rückfahrt mit dem nächsten Postauto reicht da gerademal, um etwas an der Oberfläche dieses charmanten Juwels zu kratzen. Doch mein eigentlich geplantes Foto steht eh noch bevor, und so gehe ich vor der wuchtigen Renaissancekirche Chiesa dei Santi Giorgio e Andrea aus dem 16. Jahrhundert in Stellung.

Es ist aber nicht die Kirche, auf die ich es abgesehen habe. Was mich hier hochgelockt hat war nämlich eigentlich gar nicht Caronas malerischer Dorfkern (auch wenn er eine wirklich positive Überraschung darstellt), sondern ein ganz anderes Highlight: Wie sich das Postauto durch den schmalen Torbogen zwängt, mittels welchem die Hauptstrasse die mittelalterliche Kirche passiert. Zentimeterarbeit ist hier gefragt, und das Zuschauen alleine ist schon eine echte Zitterpartie!


Die Rückfahrt aus Carona beende ich schon im Luganer Stadtteil Paradiso, denn hier hüpfe ich gleich auf das nächste Postauto: Die Linie 431, welche auf ihrer sehenswerten Route rund um die Halbinsel Ceresio nach Melide grösstenteils dem idyllischen Ufer des Lago di Lugano folgt. Diese schönen Aussichten wollen allerdings hart erkämpft sein, denn zuerst fährt unser schon etwas in die Jahre gekommener 2000er Setra S313UL während einer Viertelstunde durch die südliche Agglomeration Luganos, welche ausschliesslich aus Supermärkten, Möbelhäusern, Autoverkäufern und Tankstellen zu bestehen scheint.
Bei Figino erreichen wir dann endlich den See und mit ihm die ersehnte schmale Uferstrasse, doch vom einladenden Wasser ist nicht oft etwas zu sehen. Ist der See mal nicht von prunkvollen Villen verdeckt, dann zumindest von den meterhohen Hecken, veritablen Palmenhainen oder angsteinflössenden Zaunkonstruktionen, welche die weitläufigen Grundstücke umfrieden.

Bleibt die Hoffnung auf das vor uns liegende Morcote, die vielbeworbene Perle des Luganersees. Das einstige Fischerdorf wurde dank seiner Lage an einer Engstelle des Sees und direkt gegenüber dem italienischen Hoheitsgebiet im Mittelalter zu einem wichtigen Hafen, überquerten doch quasi alle zwischen Italien und dem Norden verkehrenden Güter hier das Hindernis aus Wasser. Zusammen mit den Fischereiprivilegien führte dies zu einigem Reichtum, welcher in der Erbauung einiger Villen und Palazzi mündete.
Als wir Morcote dann aber erreichen, geht alles viel zu schnell. Mit Tempo 30 brausen wir durch die Uferpromenade. Linkerhand huschen tatsächlich die eindrücklichen Repräsentativbauten mit ihren lauschigen Arkaden vorbei, während rechterhand direkt das Seeufer betört. Doch um die ganze Schönheit wirklich aufzunehmen und zu würdigen, sind die paar Sekunden natürlich niemals genug. Und so ziehe ich die Reissleine, bzw. drücke die Halt-Taste und steige kurzerhand aus. In der Stunde, bis das nächste Postauto vorbeischaut, erklimme ich die Stufen zur sehenswerten Kirche Santa Maria del Sasso die hoch über dem Ort thront, geniesse den formidablen Ausblick, streife durch die schattigen Gässchen und lasse an der wunderschönen Seepromenade die Seele baumeln. Ein perfektes Intermezzo!


Das nächste Postauto, abermals ein über zehnjähriger Setra, gabelt mich schliesslich auf und lässt mich die Strecke komplettieren. Erneut sind die Blicke auf Seen und Villen rar, da beides von der Hauptstrasse aus zu gut abgeschirmt ist. So ist es eine relativ ruhige Fahrt. Einzig die Aussage eines “zu Verkaufen”-Schildes, welches die “atemberaubende” Aussicht eines besonders schicken Häuschens anpreist, sorgt im Bus kurz für Gesprächsstoff – eine Mitpassagierin verkündet im Gespräch mit dem Chauffeur lauthals, das einzig atemberaubende hier seien die Grundstückspreise.


Erst, als wir den Damm von Melide überqueren klappt’s mit der Aussicht aufs Wasser, aber hier ist diese nicht mehr allzu betörend. Schliesslich erreichen wir die Gemeinde Bissone, wo mich das Postauto an seiner Endhaltestelle Autostrada (Autobahn) am Dorfeingang rauswirft. Wieso um Gottes Willen der Kurs nicht bis ins Dorfzentrum fährt, kann ich mir auch nicht erklären, denn jenes wäre eigentlich ziemlich pittoresk. Und weshalb er nicht noch ein Dorf weiter fahren kann, wo nämlich das nächste Postauto warten würde, geht mir auch nicht in den Kopf. Aber sei’s drum, dann wird halt kurz gewandert. Zuerst durchquere ich das hübsche Bissone entlang seiner Uferpromenade, die mit ihrer Häuserfront mit Säulengängen aus dem 14. bis 17. Jahrhundert wiederspiegelt, welch grosse Bedeutung die Ortschaft für Handel und Fischerei einst hatte.

Nachdem ich Bissone durchwandert habe, nehme ich die 2,6 Kilometer an den Bahnhof des Nachbarortes Maroggia-Melano in Angriff. Die Strecke ist in etwa einer halben Stunde zu schaffen, zumal die Routenführung eingequetscht zwischen Hauptstrasse, Autobahn und Eisenbahn mir nicht allzu viele Fotostopps, sondern wenn, dann den einen oder anderen Hustenanfall beschert. Eine eingestaubte Lunge verbleibt deshalb als einziges Souvenir. Doch ich muss nicht hadern, denn als Lohn warten nochmals ein paar wunderschöne Postauto-Strecken durch den Südtessin. Ich hoffe, ihr begleitet mich deshalb auch in der nächsten Episode wieder!
.
Leave a Reply