57: Winterthur – Irchel – Zürich Flughafen – Bülach – Kaiserstuhl

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Auf reizvollen Pfaden führen mich die Postautos und eine letzte Wanderung von der Grossstadt Winterthur ins Gebiet des Hügelzuges Irchel und von dort weiter zum Zürcher Flughafen, der gleichzeitig ein riesiger ÖV-Knotenpunkt ist. Hier befinde ich mich zwar in Sichtdistanz zur Stadt Zürich, doch beendet ist meine Schweiz-Umrundung noch nicht ganz. Um mich auf die Zielgerade zu begeben, lasse ich mich schliesslich durchs Zürcher Unterland nach Kaiserstuhl bringen.

57: Winterthur – Irchel – Zürich Flughafen – Bülach – Kaiserstuhl

 

 

Fahrt-Logbuch:

Linie Von Nach Bus BJ Halter Zeit KM
670 Winterthur, Hauptbahnhof Buch am Irchel, Oberbuch MAN NL323 / A21 (Lion’s City) 2013 Motrag, Flach 0:24 10,5
 – Buch am Irchel, Oberbuch Freienstein, Post Zu Fuss 1:20 5,0
521 Freienstein, Post Zürich Flughafen, Bahnhof Mercedes-Benz O530 G Citaro (facelift) 2008 Regie 0:20 12,5
530 Zürich Flughafen, Bahnhof Bülach, Bahnhof Mercedes-Benz O530 G Citaro (facelift) 2008 Regie 0:25 12,1
515 Bülach, Bahnhof Kaiserstuhl, Bahnhof Mercedes-Benz O530 Citaro 2005 ABSN, Stadel 0:22 13,1

 

 

English Summary:

English Translation - click to view

In this penultimate episode, I start out by leaving the metropolis of Winterthur behind and escaping into more rural landscapes: The Irchel region to the north of it. Here, the last hike of my whole tour takes me over the top of the Irchel hill to the next valley – of course with plenty of time to savour the fantastic views from the look-out tower at its summit.

I finally march into the town of Freienstein, which isn’t just the region’s second-largest winegrowing community and features a lovely ancient stone bridge, but also boasts a direct PostBus connection to Zurich Airport. As we approach Switzerland’s busiest aviation gateway as well as the outskirts of Zurich, the scenery around me gets progressively more urban and generic. This impression culminates in the airport itself, which is an intimidating slab of concrete, consisting of a multitude of terminals, parking garages and hotels as well as a maze of roads. However, Zurich airport is also among Switzerland’s top three of busiest bus hubs, and serves as an interchange between busses, trains, city trams and of course airplanes that is frequented by 70’000 commuters per day.

Here, I’m just a stone’s throw away from Zurich City’s territory where I had started my whole trip around the country. I could therefore just walk the last two or three kilometres and would technically be in the same municipality where I began 57 episodes ago. However, I’m keen on finishing my adventure in an honourable manner and without any shortcuts, and to finish exactly at the bus stop where it all started. As my starting point can only be reached from the regions west of Zurich (and I’m currently standing on its eastern side), a little lap of honour is the inevitable consequence. Not that I would mind, I appreciate any chance to squeeze in some more time on my beloved PostBusses of course.

I therefore embark on a last round of bus trips that will lead me in a large curve around Zurich’s northern territories to the city’s western perimeter. The start of this undertaking, which will occupy the next and final blog post, leads me out into the countryside again as I’m slowly making my way toward the picturesque town of Kaiserstuhl located right on the river Rhine.

 

Es ist ein kühler Herbstmorgen, den ich mir auserkoren habe, um von Winterthur aus meine Postauto-Rundreise durch die Schweiz zu beenden. Der spätherbstliche Hochnebel ist nämlich schon wieder ziemlich selbstbewusst auf dem Vormarsch und versucht mit allen Mitteln, meine Reise kurz vor dem Ziel noch zu vereiteln. Endlich ist die Vorhersage aber mal etwas besser und so wage ich einen Versuch. Beim Znacht am Vortag esse ich brav meinen Teller aus und begebe mich dann am nächsten Morgen zum Bahnhof Winterthur, um das Abenteuer fortzuführen. Ganz so optimistisch wie der Wetterfrosch bin ich noch nicht, als sich der Motrag’sche MAN Lion’s City-Bus auf den Strassen Winterthurs durch den dichten Morgennebel kämpft. Die Kamera klaube ich zwecks Vermeidung von Datenmüll schon gar nicht erst hervor. Erst, als wir schon wieder auf dem Land sind und meinem Ziel Buch am Irchel immer näher kommen, entscheide ich mich, doch noch ein paar Fotos zu schiessen – mehr zu Dokumentationszwecken als aus ästhetischen Motiven allerdings.

 

Im Zentrum von Neftenbach
Im Zentrum von Neftenbach

 

Volle Fahrt voraus!
Volle Fahrt voraus!

 

 

Verhangene Stimmung am Irchel - den Schafen ist's egal :)
Verhangene Stimmung am Irchel – den Schafen ist’s egal 🙂
Bezeichnend: Die "Sonne" feiert erst in zwei Monaten Neueröffnung!
Bezeichnend: Wie mich das Klappschild aufklärt, feiert die “Sonne” erst in zwei Monaten Neueröffnung!

 

In Buch am Irchel lasse ich den MAN-Bus davonziehen und beginne meine letzte Wanderung, um ein letztes Mal die Lücke zwischen zwei Postauto-Netzen zu überbrücken und vom Flaachtal ins Tösstal zu gelangen. Na, aufgepasst lieber Leser? Wie heisst die Ortschaft nochmals? Genau, Buch am Irchel. Das impliziert schon, dass hier irgendein Hügel im Weg stehen könnte, und genau so ist es auch. Immerhin war ich diesmal aber besser auf solche topografischen Kapriolen vorbereitet als bei einer meiner ersten Wanderungen im Jura, ja habe das Hindernis sogar explizit eingeplant. Oben auf dem «Gipfel» gibt’s nämlich einen stattlichen Aussichtsturm, von dem ich mir schöne Panoramen erhoffe und deshalb sogleich begeistert loswandere. Weit komme ich allerdings nicht, denn schon stellt sich mir ein nächstes Hindernis in den Weg. Es hat (mal wieder…) vier Pfoten, ein dichtes schwarz-weisses Fell, wird aus mir unerfindlichen Gründen als der beste Freund des Menschen bezeichnet – und bellt mich einfach unnötig laut an, vor allem so früh am Morgen.

 

Da geht's rauf...
Da geht’s rauf…
...doch irgendwer hat was dagegen!
…doch irgendwer hat was dagegen!

Glücklicherweise kommen hinter mir bald zwei weitere Wanderer, und zu dritt pirschen wir uns dann am übereifrigen Hofhund vorbei. Hoffentlich war das der letzte kläffende Widerstand auf meiner Tour! Danach wird die Laufetappe aber richtig schön: Ich wandere und kraxle auf dem sanften Blätterboden durch einen farbenfrohen Herbstwald den Irchel empor, während ich fühlen kann, dass sich über mir langsam der Nebel lichtet und die ersten zaghaften Sonnenstrahlen durch die Baumkronen linsen. Durch die Baumkronen führt schliesslich auch mein Endspurt, als ich auf der metallischen Wendeltreppe des Aussichtsturms nach oben stürme.

Die Mühen (und Adrenalinschübe) haben sich jedoch voll gelohnt! Auf knapp 700 Metern oben angekommen, hat sich der Nebel bereits um eine vornehme Distanz zurückgezogen und lässt vor meinen Augen das Flaachtal und die angrenzenden Hügelzüge von der tiefstehenden Morgensonne in den sattesten Herbstfarben erstrahlen. Wunderschön!

 

Himmelsleiter :)
Himmelsleiter 🙂

 

Fast geschafft: Der Irchelturm steht vor mir!
Fast geschafft: Der Irchelturm steht vor mir!

 

Wendeltreppe durchs Blätterdach :)
Wendeltreppe durchs Blätterdach 🙂

 

Prächtige Aussicht: Buch am Irchel und das Flaachtal
Prächtige Aussicht: Buch am Irchel und das Flaachtal

 

Explosion der Farben: Dem herbstlichen Irchel entlanggeschaut
Explosion der Farben: Dem Irchel entlanggeschaut

 

Reizvolle Farbkombinationen en masse
Reizvolle Farbkombinationen en masse

 

Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis ich mich von der famosen Aussicht losreissen kann, doch ich muss ja noch weiter. Beschwingten Schrittes vernichte ich die meisten der erklommenen Höhenmeter wieder, als ich der anderen Hügelseite entlang zu Tal wandere. Als mich der Wald schliesslich wieder ausspuckt, empfangen mich ein strahlend blauer Himmel und ebenso intensiv gelb strahlende Rebhänge im Tösstal. Na so mag ich das!

 

Freienstein und seiner Burgruine entgegen...
Freienstein und seiner Burgruine entgegen…
Im Rebberg nahe Freienstein (ZH), einem der grössten Weinanbaugebiete des Kantons
…dabei sind die Weinberge nie fern

 

Die Gemeinde Freienstein, die ich bald erreiche, soll offenbar die zweitgrösste Rebgemeinde im ganzen Kanton sein und der Weinbau bereits seit der frühen Neuzeit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mir als Tea-Totaler sind die edlen Tropfen ja ziemlich egal, ich interessiere mich stattdessen mehr für eine andere (vielleicht nicht ganz so alte und bedeutsame) Errungenschaft Freiensteins: Immerhin seit 1933 besitzt es eine Buslinie nach Kloten, und diese hat bis heute Bestand. Besser noch, sie führt mittlerweile sogar bis zum Zürcher Flughafen und damit ganz nahe an die Stadt Zürich!

 

Welch eine Pracht!
Welch eine Pracht!

 

Im Rebberg nahe Freienstein (ZH), einem der grössten Weinanbaugebiete des Kantons

 

Ein prächtiges Fachwerkhaus zum Abschied :)
Ein prächtiges Fachwerkhaus zum Abschied 🙂
Ein weiterer Fluss für die Kollektion: Die Töss
Ein weiterer Fluss für die Kollektion: Die Töss

 

Schon kommt besagter Bus angerauscht und pirscht sich langsam über die steinerne Tössbrücke, die immerhin auch schon über zwei Jahrhunderte auf ihren drei Buckeln hat: Ein Citaro-Gelenkbus mit Jahrgang 2008 (und damit exakt 200 Jahre jünger als die Brücke).

 

Auf historischen Pfaden unterwegs: Der Gelenkbus müht sich über die 1808 erbaute, alte Tössbrücke in Freienstein (ZH)
Auf historischen Pfaden unterwegs: Der Gelenkbus müht sich über die 1808 erbaute, alte Tössbrücke in Freienstein

 

So sehenswert dieser Einstieg auch war, der Rest der 20-minütigen Fahrt ist eher eine Enttäuschung. Aus der mehr oder weniger heilen Welt des Tösstaler Weinbauerndorfes nach Süden fahrend, wird die Szenerie nämlich rasch urbaner und gleichzeitig austauschbarer. Wir erreichen Embrach, welches uns mit einer grossen psychiatrischen Klinik und einem noch grösseren Zollfreilager voller langweiliger Lagerhäuser empfängt, und auch danach nicht wirklich sehenswerter wird. Im späteren Fahrtverlauf gibt es ebenfalls nicht mehr viel Grün zu sehen, schon durchfahren wir Lufingen – welches eine Batterie aus hunderten Einfamilienhäuschen im Copy-Paste-Stil zu sein scheint – bevor wir in Klotens Aussenbezirken eintreffen, wo dieses Muster nahtlos weitergeht. Beton, soweit das Auge reicht, mal etwas weniger scheusslich gestaltet als daneben, aber immer dem Zweck und nicht der Ästhetik gehorchend. Ja sogar auf der Karte der Jungs und Mädels vom Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder, die üblicherweise sogar den profansten Bauten irgendein prächtiges Alleinstellungsmerkmal abzuringen wissen (und mir damit auf dieser Reise den Weg zu vielen architektonischen Perlen gewiesen haben, merci an dieser Stelle!), ist die gesamte Wegstrecke von Freienstein bis zum Flughafen ein einziger weisser Fleck.

 

Auf immer breiteren Strassen fahren wir Kloten entgegen...
Auf immer breiteren Strassen fahren wir Kloten entgegen…
...da ist jeder natürliche Farbtupfer hoch willkommen!
…da ist jeder natürliche Farbtupfer hoch willkommen!

 

Nachträglich betrachtet, eignet sich die gesamte Anfahrt aber als perfekte Vorbereitung für die betonmässige Kulmination des Ganzen, das Eintreffen am Zürcher Flughafen – einem beinahe schon angsteinflössend grossen Komplex aus sechs Parkhäusern, unzähligen klumpenhaften Flugbetriebsgebäuden, Lagerhallen und Hotels sowie mannigfaltigen Fahrspuren und riesigen Parkplatzarealen. Und mitten drin in diesem Gebilde, gleich vor dem Haupteingang in diesen über-geschäftigen modernen Mobilitätspalast, steuert das kleine Landei Postauto auf seine Endstation zu: Den grössten Bushof der Schweiz!

 

Ankunft am Flughafen und im Reich der Trams!
Ankunft am Flughafen und im Reich der Trams!
Ankunft am Flughafen, mitten zwischen Betondschungel und Plakatwald 🙂
Mit dem Poschti zum Flugi – das geht!

 

Postauto und Flughafen, das passt definitiv zusammen! Hier auf einer anderen Linie, zwischen Oberglatt und Bülach, bedient das Postauto seit neustem auch die bei Zuschauern sehr beliebte Haltestelle “Pistenende”…

 

…und kommt dabei auch dem weltgrössten Passagierflugzeug, dem Airbus A380, ziemlich nahe!

 

Zwar reklamieren Sion und Chur die gleiche Ehre des grössten Bushofes. Doch Sion besitzt nur zehn Haltekanten, Chur und der Zürcher Flughafen liegen mit deren 16 gleichauf. Aber hey, gleich neben den Bussen halten am Flughafen auch noch zwei Trams, die machen den Unterschied! 1:0 für die Zürcher :-). Insgesamt 70’000 Pendler frequentieren den Flughafen in seiner Nebenfunktion als Umsteige-Zentrum zwischen Bahn, Bus und Tram pro Tag – 700 Bus- und 400 Tramabfahrten täglich werden gezählt. Dagegen sind meine eigenen 227 Postautofahrten, die ich nun über den ganzen Sommer hinweg angehäuft habe, ja echt nur Peanuts! Genauso wie die Schweiz im Vergleich zur grossen weiten Welt, deren Tor der Flughafen seit jeher darstellt. Aber eines der schönsten Erdnüssli der Welt ist sie trotzdem, das hat mir meine Reise einmal mehr gezeigt 🙂

Tja, und nun bin ich zwei Kilometer vom Gemeindegebiet der Stadt Zürich entfernt, auf dem meine Tour einst begonnen hatte. Und oben hätte ich schon das perfekte Schlusswort verfasst. Nochmals kurz die Wanderschuhe schnüren und ich wäre in einer Viertelstunde technisch betrachtet am Ziel, zurück in Zürich. Noch dazu hätte meine Reise in die weitverästelte Peripherie des ÖV-Systems hier in dessen Nervenzentrum ihr passendes Ende gefunden. Soll es das also gewesen sein?

 

 

Auch zum Flughafen gelangt man per Postauto - der Zürcher Airport ist gar einer der grössten Bus-Knotenpunkte der Schweiz!
Willkommen am Flughafen Zürich – noch nicht ganz die Endstation 🙂

 

Wie die ganze Konjunktivparade oben natürlich bereits vorweg genommen hat: Nein! Einerseits will ich den Kreis nämlich sauber und ganz schliessen, und zwar genau dort, wo ich angefangen habe: am Zürcher Bahnhof Wiedikon auf der anderen Seite der Stadt. Und andererseits kann ich vom Postautofahren einfach nicht genug kriegen, und klammere mich noch so gerne an jede Möglichkeit, die Tour noch etwas zu verlängern (merkt man’s?). Und so geht es von hier noch ein Bisschen weiter!

Da die Stadt Zürich naturgemäss – bis auf die wenigen, wie Nadelstiche aus der Peripherie ins Stadtgebiet pieksenden Buslinien – Postauto-freie Zone ist, bedarf es nochmals eines gehörigen Umweges von 80 Kilometern, um auf die “andere” Seite der Limmatstadt und an den Bahnhof Wiedikon zu gelangen. Wie schon zu Beginn meiner Reise, wird diese Schlaufe auch hier über den Kanton Aargau führen. Und genau diesen nehme ich nun ins Visier.

Um die Schlaufe schön einzufädeln, muss ich in einem ersten Schritt nach Bülach gelangen. Nichts leichter als das, die Hauptstadt des Zürcher Unterlandes ist im Halbstundentakt an den Flughafen angebunden. Ich kann sogar wieder in den gleichen Bus einsteigen, welcher mich von Freienstein hierher brachte. Der Fahrer wundert sich zwar etwas und fragt sich wohl innerlich, wieso er den vielknipsenden Freak da neben sich nochmals eine halbe Stunde ertragen muss, und ob ich noch nichts von Zügen gehört habe, die mich doch schneller und direkter ans Ziel brächten. Aber ich bin ja bestimmt nicht sein erster seltsamer Passagier, und so hockt er einfach aufs Maul und lässt mich gewähren :-).

 

Auf der Hauptstrasse in Richtung Bülach
Auf der Hauptstrasse in Richtung Bülach

 

Auf der gleichen Achse, wie wir den Flughafen erreicht haben, verlassen wir ihn auch wieder, passieren Kloten und brausen dann in Richtung Norden davon. Die Szenerie wird rasch wieder ländlicher, als wir den aviatischen Betonkraken hinter uns lassen, doch seine Tentakel begleiten uns weiterhin: Während den nächsten vier Kilometern verläuft links von unserer Strasse seine Hauptlandepiste, und dazwischen auch noch die Autobahn. Drei parallele Betonbänder schneiden durch die idyllische Landschaft des Zürcher Unterlandes – welch prächtiges Bild das von oben abgeben muss.

 

Agglomerations-Express: Das Postauto vor einem besonders monotonen Wohnblock eingangs Bülach
Agglomerations-Express: Das Postauto vor einem besonders monotonen Wohnblock eingangs Bülach

 

Auch die Auswirkungen des Flughafens auf das während der Fahrt passierte, einstige Bauerndorf Winkel waren beträchtlich: Die Swissair baute hier im Jahr 1970 eine grossflächige Terrassenhäuser-Siedlung für ihre Angestellen, auch sonst ist Winkel heute hauptsächlich eine Schlafgemeinde.
Etwas anders sieht dies bei Bülach aus, welches wir bald erreichen: Zwar fungiert auch diese Kleinstadt als Agglomerationsgemeinde und beherbergt viele Pendler. Im Kern allerdings ist sie geblieben, was sie schon seit Jahrhunderten war: Der Marktort für die vielen Bauern des agrarisch geprägten Umlandes, mit einer zwar sehr kleinen aber immerhin doch recht feinen Altstadt.

 

Ein Stückchen heile Welt: Der Rathausplatz in Bülach
Ein Stückchen heile Welt: Der Rathausplatz in Bülach

 

Von Bülach erlaubt es mir Kurs 515, einen Bogen gegen Westen zu schlagen: Ein Citaro-Standardbus der Postauto-Gesellschaft ABSN bringt mich über die Zürcher Kantonsgrenze hinweg ins Aargauische Kaiserstuhl. Mein Kopf erwartet eine ultralange Odyssee, denn schliesslich fahre ich ja von irgendwo mitten im Kanton Zürich bis in den Aargau. Doch laut Fahrplan sind nur 22 Minuten dafür veranschlagt! Mal sehen, wer Recht behält. Also sitze ich einfach mal in die Frontreihe und lasse mich überraschen.

Es geht nicht lange, bis wir unseren Weg aus Bülachs Innenstadt hinaus gefunden haben, schon überqueren wir die Glatt und erreichen die Gemeinde Hochfelden – einst ein kleines Textilzentrum mit ein paar Spinnereien, welche man von der Strömung der Glatt betreiben liess; mittlerweile jedoch mehrheitlich eine Wohngemeinde. Dann führt die Fahrt weiter durch ein (für Zürcher Verhältnisse) riesiges Grüngebiet, eine ehemalige Sumpflandschaft welche nun zum Ackerbau genutzt wird. Also gut, exakt 2 Minuten und 17 Sekunden dauert es, bis wir den Rand der nächsten Siedlung erreichen, aber hier im Epizentrum des Dichtestresses muss man ja mit wenig zufrieden sein 🙂

 

 

Unterwegs im einstigen Sumpfgebiet - und unter der Anflugschneise auf Zürichs Flughafen!
Unterwegs im einstigen Sumpfgebiet – und unter der Anflugschneise auf Zürichs Flughafen!

 

Daraufhin nehmen wir die Dörfer Stadel und Neerach ins Visier, und sind damit voll in den Stammlanden des hiesigen Postauto-Betreibers angekommen. Seine Bezeichnung ABSN steht nämlich für “Auto-Betrieb Stadel Neerach”, eine im Jahr 1914 gegründete Zweckgemeinschaft der beiden Gemeinden, um ihren Bürgern den Anschluss ans Bahnnetz im nahen Niederglatt zu ermöglichen. Mit der Zeit wuchs das ABSN-Netz kontinuierlich, die Stammlinie wurde bis zum Flughafen hin verlängert und weitere Routen kamen dazu. Heute transportieren die zwanzig ABSN-Postautos jährlich 2,5 Millionen Passagiere und verbrauchen dafür jährlich 633’000 Liter Diesel sowie 180 Reifen, wie mich die Betriebs-Webseite aufklärt.

 

Einblick in die ABSN-Geschichte; Bilder: www.absn.ch

 

 

Neerach
Neerach
Der schmucke Dorfbrunnen von Stadel
Der schmucke Löwenbrunnen von Stadel stammt aus dem Jahr 1636; das Spätrenaissance-Werk gilt als eines der bedeutendsten Exemplare des Zürcher Unterländer Brunnenbaus. Auch diese Information stammt übrigens aus dem oben beschriebenen, äusserst hilfreichen Bundesinventar.
Im Zentrum von Hochfelden
Im Zentrum von Hochfelden
Zurück in der Landwirtschafts-Idylle!
Zurück in der Landwirtschafts-Idylle: Raat am Stadlerberg

 

 

Nach der Durchquerung von Neerach und Stadel (auch ein kurzer Halt bei der riesigen ABSN-Postauto-Garage ist im Kurs inbegriffen) lassen wir diese fruchtbare Ebene hinter uns und erklimmen der Flanke des Stadlerbergs entlang einige Höhenmeter. Bekanntschaft erlangte der Stadlerberg ja vor allem als Absturzort einer bei dichtem Nebel auf den Zürcher Flughafen anfliegenden Alitalia-Maschine, doch wir passieren ihn problemlos: Auf dem Sattel dieses Minipasses durchfahren wir den Weiler Raat, dann geht’s schon wieder abwärts, dem Rhein entgegen.

 

Das Postauto erreicht Raat am Stadlerberg; hinten geht’s hinunter in Richtung Rhein (und Deutschland)

 

Meinen alten Freund den Rhein erreichen wir beim Örtchen Windlach, bei dem die Lektüre des Wikipedia-Eintrages etwa hundertmal länger dauert als die Ortsdurchfahrt selbst, aber doch nichts wirklich Revolutionäres verrät – offenbar hat sich da ein passionierter Lokalpatriot über Gebühr an der Tastatur ausgetobt.

Bald kommt dafür in der Ferne das Wahrzeichen unseres Ziels in Sicht: Der massive steinerne Obere Turm von Kaiserstuhl – das einzige Überbleibsel der im 12. und 13. Jahrhundert erbauten Stadtbefestigung, welche den Rest des Örtchens um einiges überragt. Wenig später ist es dann soweit, der Zürcher Citaro fährt vor dem eingleisigen Bahnhof an diesem östlichen Aussenposten des Kantons Aargau vor, dessen einzige Infrastruktur aus einer Parkbank und einem kleinen Bretterverschlag besteht. Welch Kontrast zum stolzen Kleinstädtchen dahinter! Doch dieses spare ich mir für die nächste (und letzte) Episode auf…:-)

 

...
Kaiserstuhls Wahrzeichen begrüsst uns!
Kaiserstuhls Wahrzeichen begrüsst uns!

 

Ein Zürcher in der Fremde: Citaro von ABSN im Aargauischen Kaiserstuhl
Tschüss, mein letzter Zürcher Bus! Ab nun bin ich wieder in Aargauischen Händen

 

So sieht das heute aus; mittlerweile fährt das Postauto von hier aus stündlich an den Zürcher Flughafen, ich hätte mir den Umweg via Bülach also sparen können 🙂

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