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Nachdem ich Liechtenstein bereits gut zur Hälfte durchquert habe, erkunde ich heute noch seine ländlicheren Gebiete im hügeligen Hinterland, die nicht mit schönen Landschaften und fantastischen Ausblicken geizen. Dann durchfahre ich das Land noch kurz komplett, setze einen Fuss über die österreichische Grenze und lasse mich dann über den Rhein ins Schweizer Buchs bringen.
48: Vaduz – Malbun – Triesenberg – Buchs
Fahrt-Logbuch:
Linie | Von | Nach | Bus | BJ | Halter | Zeit | KM |
21 | Vaduz, Post | Malbun, Zentrum | Mercedes-Benz O818 D Vario | 2014 | Philipp Schädler, Triesenberg | 0:30 | 15,0 |
21 | Malbun, Zentrum | Triesenberg, Guferwald | Setra S415NF | 2011 | PostAuto Liechtenstein | 0:14 | 8,0 |
22 | Triesenberg, Guferwald | Gaflei | Mercedes-Benz O818 D Vario | 2014 | Philipp Schädler, Triesenberg | 0:10 | 4,0 |
21 | Triesenberg, Post | Vaduz, Post | Setra S415NF | 2011 | PostAuto Liechtenstein | 0:14 | 4,0 |
11 | Vaduz, Post | Tisis, Töbeleweg | MAN A39 / Lion’s City DD | 2012 | PostAuto Liechtenstein | 0:37 | 16,5 |
11 | Tisis, Töbeleweg | Schaan, Bahnhof | Mercedes-Benz O530 Ü Citaro (facelift) | 2011 | PostAuto Liechtenstein | 0:26 | 8,3 |
12 | Schaan, Bahnhof | Buchs, Bahnhof | Mercedes-Benz O530 Ü Citaro (facelift) | 2011 | PostAuto Liechtenstein | 0:07 | 2,7 |
English Summary:
Welcome to the second episode of my journey through Liechtenstein. While I’ve already covered the major part of the country’s main artery along the river Rhine in the previous chapter, I’m determined to take a little detour into the local countryside before I leave again.
An almost new Mercedes-Benz Vario with the appearance of an oversized brick is responsible for operating the country’s only mountain route today, and I gladly enter. We soon depart Vaduz’ main bus station, cover a few miles of the less-than-scenic main road and then start our climb along the Rhine valley’s eastern slopes. This leads us up to the village of Triesenberg, famous both for its culture and its formidable views. From there, we continue through a narrow tunnel which takes us into Liechtenstein’s remote and hilly backcountry, which is far more pristine and harmonic than the more densely populated areas near the Rhine.
I spend an enjoyable hour in the country’s only mountain and skiing resort of Malbun, savouring the peace and quiet and the fabulous fall colours surrounding us. On the return trip, I hop off the Vaduz-bound bus at the village of Triesenberg in an attempt to catch another scenic route. Lo and behold, the same Vario minibus comes to pick me up again, and takes me along a narrow and winding road up to the hilltop restaurant of Gaflei where I enjoy yet more gorgeous panoramic views.
After this detour up the mountains I return to the Rhine and quickly follow Liechtenstein’s main artery to the northern border, in order to make sure I’ve indeed crossed the whole country and haven’t accidentally missed any major sights (appears like I haven’t). Thereafter, it’s only a quick 5-minute hop across the Rhine and then I’m back in Switzerland again, in the town of Buchs. While I wasn’t always overly enthusiastic about Liechtenstein, considering the country’s size and history, the variety crammed into its small territory is actually pretty remarkable and sure makes it an interesting place to visit!
Willkommen zurück im Ländle! Das letzte Mal habe ich mich ja mit dem liechtensteinischen Postauto bis nach Vaduz durchgehangelt, nun soll es weitergehen. Mit Erreichen von Vaduz habe ich das kleine Fürstentum schon halb durchquert, doch abgesehen von der (etwas verkrampft) kunstreichen Hauptstadt hat sich noch nicht allzu viel Nennenswertes auf meine mentale Festplatte eingebrannt. Ich befürchtete daher, dass wenn ich jetzt einfach in den nächsten Bus stiege und das Ländle auf seiner Hauptachse fertig durchquerte, auch davon nicht mehr allzu viel hängenbleiben würde. Also disponierte ich kurzerhand um, und warte nun am Vaduzer Postplatz nicht auf das Postauto in Richtung Buchs, sondern auf die quasi einzige Berglinie des Ländle: Die Nr. 21 nach Malbun. Wer weiss, vielleicht ist ja hoch oben noch etwas mehr Ursprünglichkeit zu finden.
Die Freude steigt dann allerdings schon merklich, als mein Bus angerattert kommt: Überraschenderweise handelt es sich nämlich nicht um ein Standardvehikel, sondern um einen Mercedes-Benz «Vario» O818. Und zwar nicht die Version mit hervorstehender Stubsnase, die ich schon zweimal im Logbuch habe, sondern eine Variante in Backstein-Form. Oder Kubus-Form, passend zum Liechtensteiner Lieblingsbauwerk.
Der handgeschaltete fahrende Backstein mit Jahrgang 2014, der von Transportunternehmer Philipp Schädler im Auftrag von Postauto Liechtenstein betrieben wird, präsentiert sich innen äusserst geräumig. Es steigen noch ein paar weitere Personen zu, dann schwingt sich der Fahrer hinters Lenkrad. Ein herzliches «hoi metanand» in die Runde – die Standardbegrüssung der Liechtensteiner, hier ist jeder mit jedem per Du – und schon geht’s los. Auf der Hauptstrasse des Ländle, die noch immer nicht sehenswerter geworden ist, fahren wir ein paar Kilometer nach Süden und biegen dann nach links ab in Richtung Triesenberg. Wie der Name schon vermuten lässt, geht’s nun in die Höhe: Mit einigen Haarnadeln windet sich die Landstrasse die östliche Flanke des Rheintals empor und gibt immer weiter reichende Panoramen preis.
Wir durchfahren Triesenberg, das ich später noch anschauen werde, machen kurz beim Postplatz Halt und führen danach die Bergfahrt fort – was im Vario ein ganz besonderes Erlebnis ist. Virtuos jagt der Chauffeur den Schaltknauf durchs Getriebe und peitscht den Kleinbus mit Wonne den Hügel hoch, was der Motor mit seinem charakteristischen, hochfrequenten Heulen quittiert.
Dann ist es Zeit, mich vom Panorama des Rheintals zu verabschieden, denn wir durchfahren einen schmalen Tunnel, welcher uns unter einer Bergkette hindurch ins Saminatal bringt. So gelangen wir in den weniger besiedelten «wilden Osten» Liechtensteins.
Hier passieren wir die einstige Maiensäss-Siedlung Steg mit ihrem hübschen Kirchlein, und von dort ist es nicht mehr weit bis zu meinem Endziel: Malbun. Die einstige Alpsiedlung war über Jahrhunderte ziemlich abgeschieden vom Trubel des Rheintals – vielleicht finde ich ja hier die gesuchte Ursprünglichkeit. Noch im Jahr 1925 bestand Malbun aus kaum mehr als 50 Maiensässhütten sowie dem 1908 gegründeten Kurhaus – die Entwicklung des Wintersports nahm erst in den Dreissigerjahren Fahrt auf (1932 fuhr auch erstmals ein Postauto ins Tal). In den Sechzigerjahren wurden dann verschiedene Lifte und Seilbahnen gebaut, und mittlerweile ist Malbun zu einem bekannten Ferienort avanciert, der im Sommer mit einem umfangreichen Wanderwegnetz und im Winter mit 23 Kilometern Piste lockt.
Direkt vor dem einstigen Kurhaus, welches nun Alpenhotel heisst, steige ich aus und geniesse den Tapetenwechsel. Hier, 1’100 Höhenmeter oberhalb von Vaduz, gefällt mir Liechtenstein schon bedeutend besser! Gewiss: Viel ist von der einstigen Maiensäss-Siedlung auch nicht mehr übrig, zweckmässige Apartment-Blöcke im Chaletstil dominieren auch hier und schlummern nun, in der Zwischensaison, lethargisch vor sich hin. Dafür präsentiert sich die herbstliche Natur umso energiereicher und strotzt nur so vor intensiven Farben. Im Hintergrund ragt der strahlende Kalksteinfelsen des Gamsgrates empor, ein letzter Gruss des Rätikons. Und um der lieblich-eindrücklichen Kombination noch die Krone aufzusetzen, hat jemand hier gar eine hübsche steinerne Bergkapelle hingepflanzt – ohne Kunst, ohne chi-chi, und ohne kubische Abmessungen. Na also, geht doch!
Eine Stunde muss darf ich warten, bis das nächste Postauto hier oben auftaucht. Kein Problem, ich geniesse jede Minute davon, während ich über Feld und Flur das Dorf umwandere. Und mich auf ein kulinarisches Highlight freue: Schon seit ich den Abstecher nach Malbun geplant habe, läuft mir Fleischtiger nämlich das Wasser im Mund zusammen – schliesslich steht die Marke Malbuner mit ihrem bekannten Slogan «Mal besser, Malbuner» ja als Synonym für viele feine Fleischspezialitäten. Wie es sich gehört, unterhält Malbuner gar einen eigenen Laden im Dorf (die «Malbuner Stuba») – der von weither sichtbare Werbebanner «wir sind Speck» leitet mich zielsicher hin. Doch es folgt eine herbe Enttäuschung: Am Ladeneingang reimt ein Schild: «Malbuner…mal Pause. Bis am 16. Dezember!» Oweh – statt leckeren Speck und Schinken zu verspachteln ist also Fasten angesagt, denn anderweitigen Proviant habe ich aus lauter Vorfreude keinen mitgenommen. Zusätzliches Googeln zerstört dann gleich noch eine weitere Illusion: «Malbuner» ist gar nicht wirklich im Alpendorf verwurzelt, sondern das Produkt eines Flachlandmetzgers aus Vaduz bzw. Bendern. Die Namenswahl? Pures Marketing, wie es scheint. Und erfolgreiches noch dazu, immerhin soll Malbuner laut einer Umfrage die Lieblingsmarke der Schweizer sein.
Mit knurrendem Magen bringe ich also die letzten Minuten im Dorf rum, bevor ich schliesslich ein giftgrünes Etwas durch die herbstliche Natur huschen sehe – unverkennbares Zeichen, dass sich ein Bus der LIEMobil anschleicht! Diesmal ist es sogar ein stattlicher Standardbus – ein 2011er Setra S415NF um genau zu sein. Zusammen mit drei weiteren Passagieren steige ich ein und lasse mich talwärts chauffieren.
Ich fahre allerdings nicht bis nach Vaduz, sondern steige bereits an der Haltestelle Guferwald oberhalb von Triesenberg wieder aus (die sich als der Werkhof der Gemeinde herausstellt). Von hier sollte laut Fahrplan noch eine zweite kurze Berg-Route verkehren, die ziemlich vielversprechend klingt. Binnen 10 Minuten fährt Bus Nr. 22 von hier hoch zum Bergrestaurant Gaflei. Bald kommt das dafür eingesetzte Vehikel auch schon angerauscht, und es ist – welch Überraschung – der Vario, mit welchem ich bereits zuvor Bekanntschaft gemacht habe. Nochmals eine echte Portion kerniges Fahrfeeling also – olé!
Das ergoogelte Streckenprofil hat nicht zu viel versprochen: Nach wenigen hundert Metern verlassen wir die breite Hauptstrasse und biegen auf ein schmales Bergsträsschen ab. Dieses führt uns bald zum Weiler Masescha, einem Aussenposten der Walser, welcher auch deren erstes Gotteshaus am Triesenberg beherbergt: Auf das Jahr 1300 geht das schneeweisse Kirchlein offenbar zurück. Nach Masescha wird die Strasse nochmals eine Stufe eindrücklicher: Steil empor ragt sie nun, um der Topografie gerecht zu werden – und wo dies auch nicht mehr reicht, wurde mit einem Satz enger Haarnadeln ausgeholfen. Höhenmeter um Höhenmeter kämpft sich der Vario durch die strahlende herbstliche Flora nach oben, während das Panorama des Rheintals immer fantastischer wird.
Viel zu rasch ist die Fahrt auch schon wieder vorbei und das Berggasthaus Gaflei auf knapp 1’500 Metern über Meer ist erreicht. Von hier aus überschaut man fast das ganze Fürstentum, und der Blick schweift von Sargans im Westen bis zum Säntis, dem Toggenburg und dem Grabserberg im Osten – dort, wo meine Route als nächstes durchführen wird. Ja, dieser Abstecher hat sich definitiv gelohnt!
Statt mit dem Bus gleich wieder hinunter zu fahren nehme ich den Rückweg zu Fuss in Angriff. Das erlaubt mir nicht nur, die wunderschöne Szenerie noch etwas länger und intensiver zu erleben, sondern auch, den kraxelnden Vario während seinen nächsten Fahrten in Aktion abzulichten. Falls man es nicht merkt: Ich habe mich wieder mit Liechtenstein versöhnt!
Schliesslich erreiche ich wieder Triesenberg, wo ich mich auch noch ganz kurz umsehe. Die Ortschaft war das einstige Zentrum der Walser in der Region, und figuriert nicht nur wegen ihrer privilegierten Terrassenlage hoch über dem Rheintal unter den Geheimtipps der Reiseführer, sondern auch weil die Einwohner ganz schön stolz auf ihre Walser Vergangenheit sind. So gibt es hier ein Walser Museum, einen Walser Sagenweg, jährliche Walser Folkloreanlässe, ja sogar das internationale Walsertreffen beherbergte man schon. Hat man das Glück, einem echten Triesenberger über den Weg zu laufen, verstünde man ihn wohl kaum – der eigentartige Walser-Dialekt soll sich unter den Dorfbewohnern derart gut gehalten haben.
Von alledem bekomme ich aber nichts mit. Bereits aus der Ferne sehe ich, dass der Ort hauptsächlich von betonierten Wohnhäusern bewuchert wird, während die spärlichen verbliebenen dunklen Walser Holzhäuschen in diesem Einheitsbrei kaum zu sehen sind. Das Walsermuseum selbst befindet sich auch in einem modernen weiss verputzten Neubau, weshalb es von mir mit Verachtung gestraft und nicht mit einem Besuch bedacht wird. Und auch echte Triesenberger kriege ich keine zu Gesicht: Neben einem Grüppchen Amerikanischer und Koreanischer Backpacker, die gelangweilt im «Lonely Planet» blättern, identifiziere ich zwar lokale Jugendliche, die sich ganz offensichtlich für den Ausgang aufgebrezelt haben und nun gemeinsam mit mir auf den Bus in Richtung Vaduz warten – aber die verstehe ich sprachlich aus anderen Gründen nicht.
Zurück in Vaduz geht mein Abenteuer am nächsten Tag weiter. Mit der Linie 11 will ich Liechtenstein noch kurz fertig durchfahren. Netterweise wechselt die Linie genau für meinen Kurs bei der Vaduzer Post von einem Standard- auf einen der imposanten grünen Doppeldeckerbusse der Marke MAN Lion’s City DD (wobei ich das wohl für Doppeldecker stehende Doppel-D hier irgendwie noch aus gewagteren Gründen recht passend finde :-)). Juhui, mein erster Zweistöcker der gesamten Schweiz-Umrundung!
Natürlich sitze ich in der ersten Reihe des Obergeschosses und geniesse die sozusagen fürstliche Aussicht von meinem fahrenden Hochsitz aus. Nur das Gesehene ist – wie befürchtet – nicht ganz so prächtig. Vaduz und die Nachbargemeinde Schaan sind quasi zu einem einzigen Ballungsraum zusammengewachsen, dem Charakter und Charme fast komplett abgehen. Aufgeräumt und sauber ist es zwar, doch das wirkt schon fast etwas zu steril.
Je weiter nördlich wir kommen, desto ländlicher und hübscher werden die Siedlungen zwar, aber in einem sehr engen Rahmen. Ein paar schmucke Häuschen in den Dorfkernen sind das höchste der Gefühle, in der Agglomeration finden sich üblicherweise Industriegebiete, welche riesige Hallen oder Firmengebäude beherbergen.
Eigentlich könnte ich dem Spiel in Schaan ein Ende setzen und den Bus hinüber nach Buchs in der Schweiz nehmen. Doch ich bin voll motiviert, mir auch noch den Rest des Fürstentums zu geben und bleibe daher sitzen bis zur Österreichischen Grenze im Norden. Denn da gibt es gleich dreierlei, was mich anzieht. Zum Ersten ist Österreich das letzte verbleibende Nachbarland der Schweiz, welches ich auf dieser Reise noch nicht besucht habe. Zum Zweiten gibt mir die vollständige Durchquerung Liechtensteins nicht nur ein Gefühl von Erhabenheit, sondern stellt auch sicher, dass ich nicht doch einen sehenswerten Teil des Ländle vergessen habe. Und drittens wartet direkt ennet der Grenze die Ortschaft Tisis, welche immerhin zu drei Fünfteln meinem Vornamen entspricht – da muss ich also einfach hin!
Spektakulär ist dann weder die Fahrt noch der Grenzübergang – alles quasi ein einziger Wirtschafts- und Siedlungsraum, entsprechend ist alles tagtägliche Routine. Immerhin finde ich aber gleich hinter der Grenze tatsächlich ein Strassenschild, welches den Namen Tisis trägt – alle drei Missionen erfüllt also. Knips knips, zu Fuss wieder zurück nach Liechtenstein, und auf den nächsten Bus der Lebensader Richtung Süden gehüpft: Ein passend gewöhnlicher Allerweltsbus der Marke Citaro soll es sein.
Am Bahnhof von Schaan wartet bereits der grüne Bus einer Seitenlinie, ein weiterer Citaro. Auch seine fünfminütige Strecke brennt sich nicht in die Erinnerung ein, bis auf eine Haltestelle, die Malarsch heisst sowie die Überquerung zweier zähfliessender Ströme: des Rheins und der Autobahn A13 zur Feierabendzeit. Und damit ist es geschehen: Ich habe Liechtenstein bereits wieder verlassen und erreiche das St. Gallische Buchs. Das Fazit zu Liechtenstein fällt dabei etwas durchwachsen aus. Natürlich war die Erwartung, im historisch gewachsenen Fürstentum in eine Art idyllisch-intakten mittelalterlichen Mikrokosmos eintauchen zu können, in ihrer Verklärtheit völlig überrissen. Sogar ich mit meiner grenzenlosen Naivität war mir im Klaren, dass ich hier im Jahr 2015 wohl keine emsigen Marktfrauen und beflissenen Handwerker mehr finden würde, die in beschaulichen Dörfchen unter den wachsamen Augen ihres gütigen und verehrten Landesvaters dem Wohlergehen der Gemeinschaft zudienten – stattdessen wohl eher massenhaft gestresste Banker in überteuerten Massanzügen.
Gleichwohl war ich von Liechtenstein nicht in diesem Masse begeistert, wie ich mir das erhofft hatte. Das liegt aber wohl weniger an den Qualitäten des Landes als an meiner eigenen Erwartungshaltung. Im Gegensatz zu meiner Annahme war nämlich Liechtenstein, so glanzvoll der Begriff «Fürstentum» auch klingen mag, in der Geschichte nie ein Hort der Hochkultur. Vielmehr war es eine einfache Ansammlung von ärmlichen Bauernsiedlungen, die irgendwie vor sich hinvegetierten, während der Fürst mehrere hundert Kilometer entfernt residierte und ihnen kaum Beachtung schenkte. Wer sollte da auch prächtige Dorfkerne, noble Bürgerhäuser oder glanzvolle Marktplätze bauen, und wozu? Und als der Reichtum dann doch noch ins Ländle gelangte, waren es der Industrie- und Dienstleistungssektor, die ihn brachten. Diese Branchen benötigten halt auch nur einfache Zweckbauten (mit möglichst vielen Briefkästen vielleicht) und keine prunkvollen Repräsentativgebäude. Die meisten älteren Zeitzeugen wurden für diesen Wandel ohne Skrupel abgerissen – ja sogar die NZZ schrieb einst subtil-angriffig, die Liechtensteiner seien «in denkmalpflegerischen Belangen nicht sehr hellhörig».
Abgesehen davon haben sie sich aber nichts zu Schulden kommen lassen. Bedenkt man die Landesfläche, ist die Vielfalt an Attraktionen nämlich eigentlich äusserst eindrücklich: Die künstlerisch engagierte Hauptstadt und das verträumte Bergtal trennen gerademal 8 Kilometer Luftlinie, und doch Welten. Es war denn auch mehr das Gebiet zwischen diesen Highlights, bei dem es einfach nicht klick machen wollte – aber das ist in der Schweiz ja oftmals auch nicht anders, und mutige Kunstexperimente wie in Vaduz findet man dort auch kaum. Und so ist es mit einem lachenden und einem weinenden Auge, dass ich mich von den giftgrünen Postautos verabschiede und mich wieder den sonnengelben Originalen zuwende.
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